: Ufos im Pinienwald
KUNST Die faszinierenden Hotels an der kroatischen Künste waren vor dem Fall der Mauer als Urlaubsziele für Touristen aus beiden Blöcken konzipiert. Präsident Tito nutzte sie als Orte politischer Repräsentation
Der schönen Fotos wegen bringen wir nur einen sehr kurzen Hinweis auf die Ausstellung und das Buch:
■ „Urlaub nach dem Fall. Transformationen sozialistischer Ferienarchitektur an der kroatischen Adria“. NGBK, Oranienstr. 25, 10. 8. bis 1. 9.
■ „Holidays before the Fall. Seaside Architecture and Urbanism in Bulgaria and Croatia“. Elke Beyer, Anke Hagemann, Michael Zinganel (Hg.). Jovis Verlag, Berlin 2013, 272 S., 29,80 Euro
■ Buchpräsentation mit den Herausgebern: pro qm, Almstadtstraße 48–50, 8. 8., 20.30 Uhr
VON DORIS AKRAP
Wenn Sie in der Bar eines mondänen Hotels an der jugoslawischen Riviera nach einem Streit mit einem Kellner den Chef verlangt hätten, hätte der Kellner geantwortet: „Der steht vor Ihnen.“ Denn nicht nur Fabriken und Supermärkte wurden im Tito-Sozialismus von den Arbeitern geführt. Auch die modernistischen Hotel- und Ferienkomplexe des Landes waren Teil des einzigartigen jugoslawischen Wirtschaftsmodells der Arbeiterselbstverwaltung.
Die Arbeiter waren zwar nicht die Architekten der spektakulären Küstenanlagen, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren entstanden. Dennoch spielten lokale Akteure beim Aufbau des offiziellen Tourismus eine Rolle: Die Zentralregierung lud internationale Experten zur umfassenden Entwicklungsplanung für die gesamte kroatische Küste ein, doch letztlich passten die Leute vor Ort die Pläne an ihre eigenen Bedürfnisse und Budgets an oder realisierten einfach ihre eigenen Ideen.
Die meisten dieser Ferienkomplexe befanden sich an der Küste Kroatiens. Bis heute ist dieses touristische Gebiet eine der Haupteinnahmequellen des seit 1991 unabhängigen Kroatiens. Als Tito sich von Stalin trennte und die Blockfreien gründete, musste er auf die Devisen und damit auf die Zuneigung des kapitalistischen Westens hoffen. Und also entschied der Staatsgründer, die touristische Erschließung der Küste zu einem der wichtigsten Schaufenster für den Erfolg der Politik des „Dritten Weges“ und des radikalen Internationalismus zu machen.
Man engagierte die besten Architekten des Landes und gab ihnen alle Freiheiten, die modernsten Anlagen zu bauen, in denen die Westler, aber auch das eigene Militär, die Kinder und die Arbeiter gemeinsam Urlaub machen sollten. 1963 wurde im Auftrag Jugoslawiens sogar ein UN-Plan für die umfassende Entwicklung der gesamten adriatischen Region erstellt. Dieser gilt noch immer als Meilenstein einer ganzheitlichen regionalen Planungsmethode.
Entlang der 1.777 Meter langen Küste entstand eine Vielfalt, die von großflächigen Hotelanlagen mit Konferenz- und Wellnessbereich über gewerkschaftliche Ferienhäuser, Hüttendörfer und Campingplätzen reichten. Und auch in architektonischer Hinsicht entwickelte sich eine Vielzahl von Typologien, die der sehr unterschiedlichen Landschaft des schmalen, teilweise schroffen und nur wenige Meter breiten Küstenstrichs und seinen fast 1.184 Inseln entsprach. So ist von sozialistischem Realismus an der kroatischen Küste nichts zu sehen, von der Verbindung zu Bauhaus oder Mies van der Rohe schon eher: Man sieht gestapelte Bebauungsformen, die sich terrassenartig an die Felsformationen der Gebirge schmiegen. Man begegnet Ufos, die mitten im Pinienwald gelandet sind und abenteuerlichen mehrschichtigen Ordnungssystemen von Hotel- und Ferienlandschaften. Und all das aus bestem Beton. Sogar eine spezifische Verschalungstechnik wurde entwickelt, um die strukturalistischen Formationen zu realisieren.
Auch innerhalb der Hotels achtete man darauf, dass Gemälde oder Skulpturen nur von den Besten kamen. Und so fungierten die Hotels de facto auch als Galerien zeitgenössischer Kunst.
Wenig erstaunlich also, dass Tito die Feriendomizile auch als Orte politischer Repräsentation nutzte: Nicht in Belgrad, sondern in den Hotels auf der kroatischen Insel Brioni wurden internationale Gäste empfangen und politische Entscheidungen getroffen wie die Gründung der Blockfreien Staaten.
Die Kreuzberger NGBK hat die Ausstellung „Urlaub nach dem Fall. Transformationen sozialistischer Ferienarchitektur an der kroatischen Adria“ aus Graz übernommen. Es ist das Verdienst von Michael Zinganel, Architekt und Kurator, die Ferienarchitektur Jugoslawiens systematisch untersucht zu haben. Seine Pionierarbeit aber besteht darin, auch die ökonomischen und politischen Bedingungen, unter denen diese Architektur entstand und unter denen sie heute verfällt, gründlichst recherchiert zu haben. Zinganel zieht übrigens ein überraschendes Resumée: Dank UN-Plan, titoistischer Schaufensterpolitik und dem Wirrwarr aus Verstaatlichung, Privatisierung, Korruption und wechselnder Baugesetze nach 1991 könnten sich die Kroaten heute eigentlich glücklich schätzen: Ihre Küste sei nicht wie anderswo durch monströse Überbauung zerstört worden. Die in der Ausstellung zu sehenden Fotos der überwuchernden morbiden Betonruinen, zu denen die meisten dieser modernistischen Anlagen geworden sind, sind zwar tatsächlich hübsch. Aber angesichts der nur zögerlich eingedämmten wilden und monströsen Privatbebauung sieht die Zukunft der kroatischen Küste weniger gut aus als die Vergangenheit auf den Fotos.
Unbedingt zur Ausstellung empfohlen sei das Buch „Holidays before the Fall“, das der Kurator herausgegeben hat. Seine intensive Recherche und ein hervorragender Essay von Norbert Mappes-Niediek liefern einen einzigartigen Einblick in die komplexe Geschichte dieser sehr besonderen Ferienarchitektur.