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Archiv-Artikel

POST VOM LESER Mode von damals

Ich habe mich trotzdem herzlich bei der Leserin bedankt

Der Leser – das unbekannte Wesen? Schreibt ein Zeitungsleser einen Leserbrief, ist er nicht mehr ganz so unbekannt. Schickt er gar ein Päckchen, dann kann man schon von einer gewissen Leserblattbindung sprechen. Vor einigen Jahren hatte ich in einer Ost-West-Kolumne über ein Produkt der DDR-Planwirtschaft geschrieben, einen DDR-„Heimsprudler“, für den ich keine Kohlesäurepatronen mehr hatte. Bald darauf kam ein Päckchen in der Redaktion an. Ein Leser hatte mir alte, noch funktionstüchtige Patronen geschickt und einen Heimsprudler dazu. Neulich schrieb ich eine Glosse über einen Mantel mit violetten Rosen, der mir in einem Secondhandladen als Mantel aus den fünfziger Jahren verkauft worden war. Ein Flohmarkthändler und seine spanische Freundin hatten mir versichert, dass der Mantel von H & M aus Spanien stamme. Wenige Tage später kam ein Paket für mich in der taz an. Absender war eine Frau B. von dem Verein Planbar e. V.

Erwartungsfroh riss ich es auf, als wäre es ein Westpaket. Das war es auch, der Verein hat seinen Sitz in Charlottenburg. Ein gelbes Blatt fiel mir entgegen. „Hallo Frau Bollwahn, anliegender Mantel ist von einer modeverrückten Dame, in den Sechzigern selbst genäht, insofern ein Einzelstück! Vielleicht gefällt er Ihnen, ansonsten: weitergeben!“

Das Paket enthielt nicht nur einen Mantel, sondern auch ein Kleid, beides mit großen blauen Blumen auf weißem Grund. Muster und Schnitt sind nach meinem Geschmack, auch die Größe passt. Das Problem ist der Stoff. Mantel und Kleid sind aus einem synthetischen Material, bei dem man zu schwitzen anfängt, wenn man es nur anschaut. Ich habe mich trotzdem bei der Leserin bedankt und gefragt, ob die modeverrückte Dame vielleicht noch mehr hinterlassen hat. Ich vergaß dazuzuschreiben, dass ich die Sachen selbst abholen würde. Das tue ich hiermit. BARBARA BOLLWAHN