AMERICAN PIE : Trinkfester Texaner
COLLEGE FOOTBALL Quarterback-Jungstar Johnny Manziel kostet den Erfolg in vollen Zügen aus. Das kommt nicht überall gut an
Johnny Manziel ist 20 Jahre alt. Er wurde geboren in Texas, wuchs auf in Texas und studiert in Texas Sportmanagement. Er geht gern feiern mit Freunden, trinkt auch schon mal einen über den Durst und ist aktiv in sozialen Netzwerken. Kurz: Johnny Manziel wäre ein ziemlich normaler junger Mann, wäre er nicht Johnny Manziel. Denn Manziel ist außerdem noch die größte Sensation, die der College-Football momentan zu bieten hat.
In der vergangenen Saison hat der Quarterback so erstaunliche Leistungen geboten, dass er nicht nur von den Medien „Johnny Football“ getauft wurde, sondern auch zum Sieger der Heisman Trophy gekürt wurde. Niemals zuvor war es einem sogenannten Freshman gelungen, diese Auszeichnung für den besten College-Spieler des Landes zu gewinnen. Manziel wurde nicht nur in College Station, dem kleinen Städtchen im Herzen von Texas, das weitgehend nur aus dem Campus der Texas A & M University besteht, zum Helden. Er war schnell der unumstrittene Star des College-Football.
Nun aber ist fraglich, ob der Spielmacher mit dabei ist, wenn seine Texas A & M Aggies Ende August vor mehr als 80.000 Zuschauern im heimischen Kyle Field, das mitten im Campus liegt, in die neue Saison starten. Sein Vergehen: Manziel soll gegen Bezahlung Autogramme gegeben haben. Verschiedene Medien berichten von sechs Signierstunden. In den Memorabilia-verrückten USA gang und gäbe: Viele ehemalige und noch aktive Sportler signieren nur noch gegen Honorar. Das ist ein lukratives Geschäft, das vollkommen legal ist, von dem aber College-Sportler ausgeschlossen sind. Denn die sind offiziell Amateure, obwohl ihre Universitäten mit ihnen in Sportarten wie Football oder Basketball Millionen verdienen. Aber wer an einem College ein Sportstipendium erhält, unterliegt fortan der Gesetzgebung des Universitätssportverbands NCAA, und dessen Bestimmungen sehen vor, dass Studentensportler neben ihrem Stipendium keine zusätzlichen Einkünfte haben dürfen.
Die NCAA ist ein riesiger Apparat, der die Einhaltung eines telefonbuchdicken Regelbuchs an mehreren hundert Einrichtungen der höheren Bildung überwachen muss – und entsprechend schwerfällig operiert sie. Bis die Untersuchung abgeschlossen ist, ob Manziel seine Spielberechtigung verliert, steht Aggies-Cheftrainer Kevin Sumlin vor einer schweren Entscheidung: Lässt er Manziel auf der Bank, riskiert er Niederlagen. Will er nicht auf seinen wichtigsten Spieler verzichten, könnten die mit ihm errungenen Siege nachträglich annuliert werden.
Trotz dieses Dilemmas hält sich das Mitleid der Öffentlichkeit mit Manziel in Grenzen. Zum einen ist die Verwunderung groß, warum jemand, der aus einer durch den Ölboom des vergangenen Jahrhunderts zu Reichtum gelangten texanischen Familie stammt, meint, noch mehr Geld nötig zu haben. Zum anderen hat sich Johnny Football abseits des Football-Platzes schon des Öfteren danebenbenommen. Schon im vergangenen Sommer geriet er auf dem Campus in eine Schlägerei und landete, weil er einen ungültigen Ausweis vorzeigte, für eine Nacht im Gefängnis. Beobachter fragen sich aber, warum jemand, der so in der Öffentlichkeit steht wie Manziel, Fotos von seinen Sauftouren auf Instagram postet und auf Twitter kommentiert. Während des Sommers spielte er Golf auf edlen Plätzen, ließ sich auf Empfängen mit VIPs aus Film und Fernsehen sehen und zog mit dem Rapper Drake durch die Clubs. Manziel benahm sich wie jemand, dem der Ruhm zu Kopfe gestiegen war.
Ebenfalls auf Twitter ließ Manziel verlauten, dass er es gar nicht erwarten könne, aus College Station herauszukommen. Das kam in dem Unistädtchen nicht sonderlich gut an. Die Studentenzeitung titelte: „Johnny, Be Gone.“ Tatsächlich könnte Manziel im kommenden Jahr Texas vorzeitig verlassen und versuchen, einen Profivertrag zu bekommen. Zwar dominiert Manziel andere College-Spieler dank seiner ungewöhnlichen flinken Beine, aber sein Wurfarm, das wichtigste Werkzeug eines Profi-Quarterbacks, ist nur Durchschnitt. THOMAS WINKLER