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Archiv-Artikel

Mit erneuerbarer Energie in den Landtag

In Sachsen-Anhalt sind die Grünen eine Woche vor der Landtagswahl, in Umfragen bei konstant 4 Prozent, optimistisch wie lange nicht mehr. Spitzenkandidatin Inés Brock hofft auf die Städter – und die 60.000 Stimmen, die es zur Bundestagswahl gab

AUS MAGDEBURG MICHAEL BARTSCH

Beim Abschluss-Wahlforum der Magdeburger Volksstimme musste die grüne Spitzenkandidatin Inés Brock sofort gemeinsam mit den „sonstigen“ Exoten vom Tierschutz oder den freien Wählern aufs Podium. Ein bisschen diskriminierend bei zuletzt konstant 4 Prozent Wählerstimmen in den Umfragen.

„Dabei sind es die einzig spannenden Fragen dieser Wahl, ob wir oder die rechtsextreme DVU in den Landtag kommen“, sagt die Spitzenfrau. Seit 1998 sind die Grünen nicht mehr im Landtag Sachsen-Anhalts vertreten.

Gerade einmal 477 Mitglieder zählt der Landesverband. Grund genug, die Kräfte zu konzentrieren. Auf die Spitzenkandidatin zum Beispiel, die sonst mit Ralf-Peter Weber als Landesvorsitzende seit fünf Jahren eigentlich eine Doppelspitze bildet. Klassisch grün hofft man auf den Bonus der einzigen weiblichen Bewerberin unter den Plakatgesichtern der ersten Reihe. Und dieses Gesicht spricht an. Vier Kinder haben bei der 41-jährigen Brock offenbar nur positive Spuren hinterlassen. Manchmal etwas unterkühlt wirkt die Lehrerin und Familientherapeutin aus Halle, aber auf 36 Prozent Bekanntheitsgrad ist sie stolz.

Die Kräfte zu konzentrieren, heißt auch, mit einem Wahlkampf-tat von 120.000 Euro sorgfältig umzugehen. An der Materialschlacht im Stil der DVU können sich die Grünen nicht beteiligen. Die Plakate hängen vor allem in den Städten. Halle ist die grüne Hochburg in Sachsen-Anhalt. Zur Europawahl 2004 holte die Partei hier satte 10 Prozent. Und so könnten wie in Sachsen 2004 am späten Wahlabend die großen Städte über einen Wiedereinzug in den Landtag entscheiden.

Dennoch haben die Grünen mit ihren knappen Personalressourcen alle Wahlkreise besetzt. Von einem „extrem hohen Mobilisierungsgrad“ spricht die Spitzenkandidatin. Wohl wissend, dass die Ökopartei im Osten generell immer noch in der Diaspora lebt. „Die 60.000 Stimmen zur Bundestagswahl würden uns reichen“, verbreitet Inés Brock Optimismus. Sie begründet ihn unter anderem mit guten Erfahrungen im außerparlamentarischen Raum. Man habe sich trotz personellen Neuaufbaus nicht zurückgezogen und werde von Fachverbänden akzeptiert. Die Schlüsselfrage sei eigentlich nur noch, wann und wie die Bevölkerung das merke. Vom Negativimage als Verhinderungspartei könne jedenfalls keine Rede sein. Auch nicht mit Blick auf die grüne Gentechnik, wo vor allem die FDP in Sachsen-Anhalt Freisetzungsversuche forciert hat. Die Bürger aber lehnten manipulierte Produkte überwiegend ab, und die Landwirtschaft „auf den besten Böden Deutschlands“ sei auf eine gutes überregionales Image angewiesen, sagt Inés Brock.

Ob der bundesweit höchste Anteil an Windenergie und die Arbeitsplätze etwa in der Propellerproduktion von Sket in Magdeburg den Grünen gutgeschrieben werden, bleibt Spekulation. Heute will die Partei offiziell ihr Konzept „Modellland Erneuerbare Energien“ vorstellen. Erste Anträge einer möglichen Landtagsfraktion sind bereits geschrieben. Sie richten sich auch gegen die neue Bundesregierung, die Kleinkraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung und Biodiesel steuerlich stärker belasten will.

Sympathien kosten könnte hingegen gerade auf dem „flachen Land“ die gemeinsam mit den anderen Ost-Landesverbänden verabschiedete „Hallenser Erklärung“. Wie der SPD-Spitzenkandidat Jens Bullerjahn oder Ost-Minister Wolfgang Tiefensee (SPD) setzen auch die Grünen auf „Kernentwicklungszonen“, wo die Förderung konzentriert werden soll. Hier ist speziell die Region Halle-Jena-Leipzig gemeint.

Im Kampf gegen den Rechtsextremismus zählen die Grünen zu den Aktivsten. Sie haben ein Programm vorgelegt, das die alternative Jugendkultur und die mobilen Beratungsteams stärken soll. Das sei alles viel konkreter als das „Placebo“ des abstrakten Netzwerks gegen rechts, das die großen Parteien ausgerufen haben, sagt Inés Brock. Dass man von jenen ernst genommen wird, zeigt die Reaktion auf ein grünes Wahlplakat. Es konterkariert die viel belächelte Regierungskampagne „Wir stehen früher auf“ mit dem Slogan „Die schlafen früher ein“. Die Landesregierung prüft derzeit, ob sie dagegen vorgehen will.