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Archiv-Artikel

„Auch einfache Nachdrucke werden verboten“

Im Iran wird kritischen Buchverlagen derzeit das Leben ausgesprochen schwer gemacht. Regierungsferne Verleger werden behindert. Ein Boykott der Teheraner Buchmesse ist für die Verlagschefin Shahla Lahiji dennoch nicht sinnvoll

taz: Frau Lahiji, wie geht es Ihnen? Wir haben gehört, Ihr Verlagsbüro hat gebrannt.

Shahla Lahiji: Vor einem Jahr hat jemand unser Büro in Brand gesteckt, das war kurz vor dem Internationalen Frauentag am 8. März. Ich ging zur Polizei und man sagte mir, wenn ich einen Täter wüsste, sollte ich seinen Namen nennen. Aber ich war nicht da, als es passierte. Man hat bis heute niemanden bestraft. Aber reden wir nicht davon, wie es mir geht, reden wir lieber von der Situation im Iran.

Wie hat sich die Situation der Literatur im Iran verändert?

Die Möglichkeiten zu publizieren werden momentan extrem beschränkt. Mein Verlag ist nur ein Beispiel: Ich wollte über 20 Bücher in diesem Jahr auf die Buchmesse im Mai bringen. Zwei von ihnen wurden verboten, für die anderen gab es bis heute keine Antwort. Ich erhielt die Erlaubnis für drei Bücher, die aber nicht besonders wichtig sind. Andere werden verboten – dabei sind sie nicht einmal regierungskritisch, sondern einfache Nachdrucke. Stellen Sie sich vor, Bücher, die seit der Revolution erscheinen dürfen, teilweise in der 8. Auflage, werden nun ohne Angabe von Gründen verboten.

Welche Bücher waren das?

Es waren Bücher über die Geschichte der Frauenbewegung, Informationen über Genderfragen, aber auch Romane. Kürzlich schrieb ich einen Brief an die Literaturbehörde, um zu warnen, dass dies vermutlich eine Methode ist, unliebsame Verleger loszuwerden. Ich habe bis heute keine Antwort. Wir haben keine Bücher für die größte Messe in der Region. Der Zeitraum vor der Buchmesse ist normalerweise die produktivste Zeit für uns.

Was bedeutet es für Sie, wenn Sie nicht produzieren können?

Wenn wir im Mai keine Bücher haben, dann sind wir in der Literaturszene praktisch nicht vorhanden und wir verlieren sehr viel Geld. Dann können wir ökonomisch nicht überleben: Wir können unsere Angestellten nicht bezahlen, wir sind auf dem Markt schlichtweg nicht vorhanden und können noch nicht einmal unsere Fixkosten tragen. Wir müssen jetzt arbeiten – denn später haben wir keine Zeit mehr. Aber jetzt zwingt man uns durch die Verzögerung, untätig im Büro herumzusitzen. Wir werden an der Arbeit gehindert. In Deutschland ist die Frankfurter Buchmesse in der Hand der Verleger. Aber hier ist sie in der Hand des Ministeriums für „Kultur und islamische Führung“. Wenn es uns nichts vorbereiten lässt, können wir dort nichts erreichen.

Was heißt das in der Konsequenz?

Wir machen auf der Buchmesse in Teheran fast den ganzen Jahresumsatz. Wenn wir dort nicht verkaufen können, weiß ich nicht, was passieren wird. Die Devise, nur noch regierungsgenehme und islamische Bücher zu veröffentlichen, ist der beste Weg, unliebsame Verleger zu stoppen, ohne sie offiziell zu verbieten.

Welche Rolle spielt die Buchmesse in Teheran für die Iraner? Immerhin ist es mit drei Millionen Besuchern eine der größten Publikumsmessen der Welt, die Frankfurter Buchmesse hat im Vergleich nur 250.000 Besucher, Leipzig etwa 100.000.

Eine sehr große. Da der Eintritt frei ist, kommen an diesen elf Tagen viele Familien aus dem Umland, viele Studenten und Schüler, und kaufen dort ihre Bücher, die sie fürs Jahr brauchen. Es ist ein sehr wichtiger Treffpunkt, um Kontakte zu machen. Es gibt hier keinen Buchmarkt wie in Deutschland. Es ist die einzige Möglichkeit für Iraner, an wichtige Bücher zu kommen.

In Deutschland hat die deutsch-israelische Gesellschaft jüngst die Frankfurter Buchmesse aufgefordert, im Mai nicht zur Buchmesse in Teheran zu fahren, weil man damit die Regierung unterstütze.

Boykott ist die einfachste, aber auch die schlechteste Art zu reagieren. Denn als die Frankfurter Buchmesse uns boykottiert hat – Sie erinnern sich, das war schon einmal der Fall wegen Salman Rushdie, bis 1998 –, hat es ausschließlich den Verlegern geschadet. Die Regierung hat es nicht im Geringsten betroffen. Es war ihr vollkommen egal. Internationale Verbindungen interessieren sie nicht, im Gegenteil, sie stören eher. Nur die Verleger werden doppelt leiden, denn man nimmt ihnen auch die letzte Möglichkeit, Bücher zu verkaufen und Kontakte zu machen. Sie sollten besser kommen, um auf positive, konstruktive Weise zu kritisieren. Den kritischen Verlegern Aufmerksamkeit schenken und öffentlich sagen: Wenn die iranische Regierung so mit ihren Verlegern umspringt, dann laden wir sie vielleicht nicht zur Buchmesse nach Frankfurt ein. Oder es kommt ein Mitglied des deutschen PEN-Clubs her, um Druck auszuüben und die Situation des Buchmarkts öffentlich anzusprechen. Ob Deutschland ansonsten hier ist oder nicht, ist relativ egal – internationale und auch deutsche Buchagenten kommen ohnehin. Aber es ist sehr wichtig, dass die Situation auf dem iranischen Buchmarkt dokumentiert wird. Er wird sich sonst sehr verändern.

FRAGEN: DOROTHEA MARCUS