DAS ENTSCHEIDENE DETAIL
: Wie eine Fähre ohne Hafen

Staunende Dresdner stauen sich an der neuen Waldschlösschenbrücke

Man sieht, was man sehen will“, meinen intelligentere Dresdner zum Streit über ihre Waldschlösschenbrücke, der die Eröffnung am vergangenen Wochenende überdauert. Kritiker sehen nach wie vor ein architektonisch drittklassiges Monstrum, das eine der schönsten städtischen Flusslandschaften durchschneidet. Brückenfans wie Jan Mücke (FDP), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, wollen sie hingegen für den deutschen Brückenpreis vorschlagen.

Was am Montag, dem ersten Verkehrstag, aber jeder sehen konnte, war ein meinungsneutraler Stau. Nicht auf dem Brückenzug, sondern auf den Zubringerstraßen. Soweit man überhaupt von Zubringern sprechen kann. Denn die Brücke an sich ist von den eisenharten Betonfraktionen und den benzingetriebenen Gemütern so zum Fetisch der Lösung aller Dresdner Verkehrsprobleme emporgebetet worden, dass niemand an die Verkehrsanbindung und -verteilung dachte. Oder denken wollte, denn vor den nun eingetretenen Problemen warnen Skeptiker schon seit zwanzig Jahren.

Als die DDR in den späteren Achtzigern die Brücke schon einmal bauen wollte, wollte sie die Anbindung auf brachiale Weise lösen: Mit einer Schneise quer durch die Stadt. Nun hat die Brücke in ihrem Lauf zwar nicht Ochs und Esel aufgehalten, sondern die objektive Notwendigkeit, dass man sie auch erreichen und verlassen können muss.

In den ersten beiden Tagen mögen noch viele Schaulustige zu den zwanzig Minuten Busverspätung beigetragen haben. Aber das Stauproblem bleibt, und man darf gespannt sein, welche Lösung sich die Stadt, insbesondere auf der Altstädter Seite kosten lassen will. Bis dahin haben die Patienten des angrenzenden Universitätsklinikums jedenfalls viel Unterhaltung und reichlich dreckige Luft vor ihren Fenstern.

MICHAEL BARTSCH