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Archiv-Artikel

ACHSE DES INDIEPOP VON RENÉ HAMANNHin zum Laptop

Schade, aber okay. Die Ruby Suns, das heißt eigentlich Ryan McPhun plus Anhang, haben zwei ganz tolle Platten gemacht, auf denen sie die Reste einer an Lou Barlow geschulten Indie-Schläfrigkeit mit Mariachi-Musik, Weltklang und Afropop und einer kleinen Dosis Beach-Boys-Psychedelik verbunden haben. Besonders das Vorgängerwerk „Sea Lion“ war im besten Sinne Weltmusik, war sogar die Rettung dieses Begriffs vor der Hölle, in der Luzifer Peter Gabriel seine schwarze Regentschaft führt. „Fight Softly“, das dritte Album der Neuseeländer, die inzwischen nach Seattle übergesiedelt sind, zieht jetzt die Bewegung nach, die vor den Ruby Suns auch das Animal Collective vollzogen haben: hin zur Elektronik. Hin zum Laptop. Hin zum Sample. „Fight Softly“ also wartet mit halbwegs aufregendem Laptoppop auf. Schräge Synthiesounds, Großraumdiskoanleihen, Tribal Beats, Flute Loops, mehr Bass. McPhun verzichtet nicht nur auf Saiteninstrumente, sondern leider auch auf die gesangliche Unterstützung von Amee Robinson. Er singt allein, und meist arg hoch. Die Musik klingt wie verstrahlter 80er-Pop,Wham! ohne Radioappeal. Wer die Beach-Boys-Harmonien im verstörten Indierock-Kontext vermisst, sollte zu den Ganglians greifen.

The Ruby Suns „Fight Softly“ (Memphis Industries/PIAS)

Auf ins Dunkle

Ähnlich geht es bei den High Places zu. Mit dem Unterschied, dass Mary Pearson und Rob Barber von jeher stark auf den Sampler gesetzt haben. Der Weltmusikanteil wurde aber auch bei ihnen herabgesetzt – keine Congasounds mehr, keine Stücke, die verdammt wie „Iko, Iko“ von den Dixie Chicks klingen. Stattdessen flirrt es mächtig, und es herrscht düstere Stimmung, und hier und da zieht ein Gitarrenlauf unter den Stücken durch. Wer die High Places mal live gesehen hat, wird besonders überrascht sein: Gerade Mary Pearson schien ein Ausbund an guter Laune zu sein, ein Sonnenschein auf zwei Beinen, der süß-naiv Teenagerlyrik zu Barbers eklektischer Groovemusik sang. Ein Ein-Mädchen-Schulmädchenchor auf natürlichen Drogen. Unterdessen muss irgendetwas passiert sein, die bösen Geister durch die Freude am Erwachsenwerden nicht mehr aufzuhalten. Oder die Platten der Cocteau Twins, von Algebra Suicide oder den Young Marble Giants sind schuld: Es herrscht jedenfalls eine etwas fiesere Stimmung auf dieser Platte. Und trotzdem oder gerade deswegen ist sie gut. Der Hypnosegrad stimmt, die Molltöne vertreibt die Esoteriker, getanzt werden kann ansatzweise trotzdem.

High Places „High Places vs. Mankind“ (Thrill Jockey Rough Trade)

Zurück zum Loop

Auch Caribou, der Kanadier und Wahl-Londoner Daniel Snaith, hat den Schritt zur Elektronik gemacht. Nur dass es für ihn, der unter dem Namen Manitoba anfing, Musik zu machen, kein Schritt hin, sondern ein Schritt zurück zur Elektronik ist. Herausgekommen ist ungefährt das, was man sich vor zehn Jahren als die Zukunft der Popmusik erträumt hatte: Songs, die auf elektronischem Boden stehen, die die Erfahrungen der Neunzigerjahre ins nächste Jahrtausend übersetzen und von der harmonischen Monotonie der elektronischen Musik wohlweislich abgekehrt sind. „Swim“ nutzt dazu das Wissen, das Caribou aus dem Ausflug in den psychedelischen Dronepop gewonnen hat (Vorgängerplatte „Andorra“), und bietet schöne Schlaufen, kreisende Loops, kleine Italohousesets und eher zirpende Beats, über die Snaith mit fragiler, hoher Stimme von seltsamen Geschichten singt, die irgendwie von Frauen handeln. Psychedelische Elektronik, melodieorientiert, nicht weit von Hot Chip entfernt. Für Liebhaber von „Andorra“ eine gewöhnungsbedürftige Überraschung, die umso gelungener daherkommt. Nicht nur wegen der tollen Single „Odessa“ der Sieger dieser Runde.

Caribou „Swim“ (City Slang)