Grüne schlachten heiligen Hafen

Um im 21. Jahrhundert bestehen zu können, müsse die Hansestadt vor allem die schöpferische Kraft seiner Bewohner fördern, sagt die GAL. Das Rezept: Weniger Hafen, dafür mehr Bildung und Kultur

von Gernot Knödler

Mit einer Politik, die sich einseitig um die Förderung des Hafens und des Handels kümmert, ist im 21. Jahrhundert kein Blumentopf zu gewinnen. Mit dieser These hat gestern eine Projektgruppe der GAL-Fraktion aufgewartet. „Kreativität“ sei das Schüsselwort, das über Wohl und Wehe der Städte entscheide, behaupten die sieben Abgeordneten. Vornehmste Aufgabe des Senats müsse es sein, „Technologie, Talente und Toleranz“ zu verbinden. „Letztendlich ist die schwule Szene in St. Georg für die Zukunft der Stadt wichtiger als die Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns“, sagt der GAL-Wirtschaftsexperte Jens Kerstan.

Der ketzerische Satz Kerstans verdeutlicht, dass es der GAL um einen Paradigmenwechsel geht. Statt riesige Summen in den Hafen zu investieren und die dortigen Flächen billig zu verpachten, müsse der Senat in erster Linie Bildung und Kultur begünstigen und die Toleranz der Hamburger fördern. Nur so entfessele er das schöpferische Potenzial der Stadt. Nur so könne er kreative Menschen aus der ganzen Welt anlocken und Hamburg einen Spitzenplatz sichern.

Vorbild München

Zwar sei nichts dagegen einzuwenden, den mittleren Freihafen in einen Container-Terminal umwandeln, findet die GAL. Die 265 Millionen Euro, die das kosten soll, müsse der Hafen aber selbst finanzieren. Die Grünen wollen dafür Anteile der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) verkaufen.

Handeln tut Not – das ergibt sich für die GAL aus einem Vergleich mit anderen Städten. Obwohl Hamburg zwischen 2000 und 2003 über fast so viele Steuern verfügen konnte wie München (1.433 gegenüber 1.517 Euro pro Kopf), führt München auf vielen Feldern. „Wir vermuten, das hängt mit der überholten Orientierung auf die Hafenwirtschaft zusammen“, sagt der Abgeordnete Willfried Maier.

Zwar hätten beide Städte in den vier Jahren ähnlich viel investiert. Hamburg habe jedoch weitaus mehr als zehn Prozent davon in den Hafen gesteckt. Mit den gleichen Summen konnten Münchner ihre Hochschulen ausstatten, Theater fördern und die Stadt verschönern. Das Wachstum des Hafens verschleiere die Stagnation anderswo. Beim europäischen Vergleich der Innovationskraft (European Innovation Scoreboard) habe Hamburg 2003 Platz 55 belegt.

In der Informationstechnologie, den Lebenswissenschaften und der Medizintechnik seien 2004 weniger Menschen beschäftigt gewesen als 2001, beklagen die Grünen. Hamburg habe mehr Schulabbrecher als andere Großstädte, weniger Hochqualifizierte und schlechtere Hochschulen. Während Bayern 2003 gut 43 Prozent mehr für Forschung und Entwicklung ausgab als 1993, waren es in Hamburg nur elf Prozent mehr.

Kreative Biotope fehlen

Doch nicht nur die Wissenschaft sondern auch für Kunst und Kultur müsse sich der Senat engagieren. Die Musikszene, die heute schon ohne große Förderung floriere, biete einen Anküpfungspunkt. Aber Künstler brauchen Raum: Billige Ateliers, bunte Viertel mit billigen Wohnungen – das Biotop, in dem Kreativität blühe. „Wir haben das Gefühl, gerade die Freiräume erschrecken den Senat“, sagt die Abgeordnete Heike Opitz.

Die GAL beruft sich auf die Thesen der US-Stadtforscher Richard Florida und Charles Landry. Sie stellten fest, dass sich Stadtregionen am besten entwickelten, die mit Hochtechnologie, guter Ausbildung und Toleranz für ungewohnte Lebensformen die meisten Kreativen anziehen konnten. Dieter Läpple, Stadtökonom an der TU-Harburg, sieht das ähnlich. Er warnt seit Jahren davor, den Hafen zu überschätzen. Während die Zahl der Arbeitsplätze im Hafen zwischen 1980 und 2002 um sieben Prozent geschrumpft sei, habe sie bei den unternehmensorientierten Dienstleistungen um 18 Prozent zugenommen, bei den Medien um fünf Prozent.