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Archiv-Artikel

Mehr NPD-Mitglieder, mehr Gewalt

Rechte und linke Extremisten begehen im Norden mehr Straftaten als im vergangenen Jahr, aber ihre Zahl sinkt. Norddeutsche Verfassungsschützer registrieren länderübergreifend mehr Mitglieder bei der NPD

Von Kai Schöneberg

Es gibt weniger Rechte, aber sie hauen öfter drauf. Auch in Niedersachsen ist die Zahl rechstextremistischer Straftaten im vergangenen Jahr gestiegen. Die Verfassungsschützer registrierten 2005 eine Zunahme von acht Prozent auf 1.574. Darunter viele Hitlergrüße oder Hakenkreuzflaggen, aber auch immer öfter brutales Dreinschlagen. Das seien oft „situative Gewaltausbrüche, wo Skinheads sagen, dessen Nase gefällt mir nicht“, erklärte Verfassungsschutzpräsident Volker Homuth gestern bei der Präsentation des Jahresberichts. Mit „Sorge“ registriert auch Innenminister Uwe Schünemann (CDU), dass Skins „auf der Straße unterwegs sind und bereit zuzuschlagen“. Die Grünen nannten das ein „Alarmsignal“. Da räche sich, dass Niedersachsen als erstes Bundesland die Landeszentrale für politische Bildung aufgelöst habe. Allerdings war auch in Schleswig-Holstein die Zahl der rechtsextremen Straftaten im vergangenen Jahr um fast zehn Prozent auf 343 gestiegen, in Hamburg hatte der Verfassungsschutz sogar einen Zuwachs um etwa 60 Prozent auf 285 ausgemacht, davon 20 Gewaltdelikte. In beiden Ländern gibt es noch Landeszentralen.

Immerhin scheint in Niedersachsen die Zahl der registrierten Rechtsextremisten leicht abzunehmen – ein Bundestrend. Insgesamt hatten rechte Organisationen zwischen Harz und Nordsee noch 2.825 Mitglieder, nach 3.130 im Jahr 2004. Dabei ist die Kannibalisierung der Gruppierungen untereinander zu beobachten: Während sich die Anhängerschaft der Republikaner laut Homuth wegen „Krach um den Kurs der Partei“ in den vergangenen Jahren auf inzwischen 220 halbierte, hat die NPD auch in Niedersachsen an Zulauf gewonnen: Ihre Mitgliederzahl stieg um gut 20 Prozent auf 580 an. Auch in Hamburg hatteSkinheads singen woanders die NPD wegen der Zerbröselung der Reps Zulauf: Ihre Zahl war 2005 um fast die Hälfte auf 140 gestiegen. In Schleswig-Holstein hat die NPD nun 230 Mitglieder, 90 mehr als 2004. Auch dort hatte sie sich mit Teilen der „Freien Nationalisten“ zu einem „Volksfront-Bündnis“ gruppiert.

Sorge bereitet den Verfassungsschützern die Verbreitung rechtsextremer Musik. Verteilaktionen von Neonazi-CDs vor Schulen wurden in Niedersachsen verhindert. Es habe nur noch fünf Skinhead-Konzerte gegeben, zwei weniger als 2004, sagte Schünemann. Bundesweit ist die Zahl der Konzerte hingegen von 137 auf 193 gestiegen. Allerdings wurden in den vergangenen Monaten auch zwei „Rock gegen Rechts“-Veranstaltungen in Niedersachsen verboten.

Vor allem der lokale Widerstand gegen den Plan des Neonazi-Anwalts Jürgen Rieger, in Dörverden ein Zentrum für „Fruchtbarkeitsforschung“ einzurichten, haben im vergangenen Jahr zu einem „Stillstand“ der Aktivitäten geführt, so der Verfassungsschutzbericht. Das Problem ist für Schünemann „aber erst hundertprozentig gelöst, wenn der von Hof nicht mehr im Besitz von Herrn Rieger ist.“

Auch bei den linksextremen Straftaten registrierte der Verfassungsschutz in Niedersachsen einen Anstieg von 316 im Jahr 2004 auf 492. In Hamburg war die Zahl um neun auf 32 gestiegen. Vor allem bei Demonstrationen war es oft zu Gewalt gekommen, die Zahl verletzter Polizisten hat sich 2005 mit 29 fast verfünffacht. In Niedersachsen gibt es derzeit konstant etwa 700 Autonome, in Hamburg 470, in Schleswig-Holstein 320. Ein Brandanschlag auf für den Castor-Transport bereitgestellte Polizeicontainer im vergangenen Herbst sei schon „mehr in Richtung Terrorismus“ gegangen, sagte Amtschef Homuth.

Auch die Moscheen werden weiter intensiv beobachtet. Während die Verfassungsschützer 2005 in Hamburg fast 2.000 Islamisten zählten, sind es in Niedersachsen sogar über 5.600. In jeder dritten Moschee werde islamistisches Gedankengut gepredigt. Es gibt laut Homuth etwa „eine Hand voll“ Hassprediger.