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Archiv-Artikel

SPD versinkt in den Fluten

Niedersachsens Sozialdemokraten machen einen Rückzieher: doch kein Untersuchungsausschuss zum Elbe-Hochwasser: Der Aufklärungsbedarf habe sich mittlerweile reduziert, sagt Fraktionschef Wolfgang Jüttner

„Es hat keinen Putsch in der Fraktion gegeben“, beeilten sich Getreue von Wolfgang Jüttner zu versichern. Da war gerade durchgesickert, dass der Oppositionsführer trotz gegenteiliger Ankündigung doch keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zum angeblichen Missmanagment der Landesregierung beim Elbe-Hochwasser einberufen werde. „Der Aufklärungsbedarf“ der SPD habe sich inzwischen „so reduziert, dass wir uns einen Ausschuss ersparen können“, sagte Jüttner gestern in einer eilig einberufenen Pressekonferenz.

Der Rückzieher sei kein Debakel, so Jüttner, Fraktion und Partei in Niedersachsen hätten „so viel Kraft, dass sie da nicht lang dran zu hadern haben“. Weiter warf er der Landesregierung „schwer wiegende Defizite“ bei der Flutbewältigung vor: „Das Thema ist noch nicht kaputt.“ Die SPD werde das Hochwasser im Landtag weiter zur Sprache bringen. Von einer „völligen Fehleinschätzung der SPD und einem durchsichtigen taktischen Manöver“, sprach indes CDU-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Althusmann.

Noch in der vergangenen Woche hatte Jüttner darauf beharrt, der „Pegel-PUA“ werde kommen. Dabei war die SPD gerade in einem Landtagshearing mangels Vorbereitung gnadenlos untergegangen. Von der Flut betroffene Landräte hatten zu Protokoll gegeben, dass die Koordination geklappt habe und die Vorbereitungen auf die Flut Anfang April sogar besser gewesen seien als jene beim „Jahrhunderthochwasser“ 2002. Damals waren die Sozialdemokraten noch in Regierungsverantwortung. Das Medienecho war verheerend.

Die Landesregierung habe „das Hochwasser schlicht verpennt“, hatte SPD-Fraktionsvize Heiner Bartling bereits kurz nach dem Sinken der Pegel gedonnert. FDP-Umweltminister Hans-Heinrich Sander müsse zurücktreten. CDU-Innenminister Uwe Schünemann habe zudem zu verantworten, dass zu spät Katastrophenalarm ausgerufen worden sei. Jüttner sekundierte etwas später, er könne „verstehen, dass CDU und FDP angesichts der offensichtlichen Versäumnisse der Regierung kalte Füße bekommen“.

Die Landesregierung habe nicht mit den Anrainerländern Sachsen und Brandenburg kooperiert, Informationen über Pegelstände zu spät herausgegeben und beim Katastrophenschutz „geschlafen“. Eins konnte allerdings auch er nicht ändern: Dass bei der Flut, die als die höchste seit über 100 Jahren registriert wurde, kein Menschenleben oder Vieh zu ernsthaftem Schaden gekommen ist. Die Beschuldigten hatten stets betont, alles Menschenmögliche getan zu haben. Außerdem wäre das kleine Hitzacker ja auf jeden Fall Opfer der Wassermassen geworden.

Auch die Grünen wollen nun auf einen PUA verzichten: „Das hat keinen Sinn mehr, weil uns dafür die notwendige Anzahl an Stimmen fehlt“, sagt der Innenexperte Hans-Albert Lennartz. Ohne den Ausschuss werde es „bedeutend schwieriger aufzuklären, warum auch Ministerpräsident Wulff vor Ort eingeräumt hat, dass er vom Ausmaß der Flut überrascht war“.Kai Schöneberg