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Archiv-Artikel

Zu Hause ist Kurt König

Der Hildesheimer Oberbürgermeister Kurt Machens muss erneut vor Gericht: Gestern hob der Karlsruher Bundesgerichtshof das Urteil des Landesgerichts Hildesheim auf, das Machens 2005 von Korruptionsvorwürfen freigesprochen hatte

von Klaus Irler

Würden sich die Klatschspalten des Boulevards mehr um niedersächsische Kommunalpolitik kümmern, Kurt Machens wäre ihr Lieblingspolitiker. Weil er Glamour verbreitet, der Hildesheimer Oberbürgermeister, den sie wahlweise den „schönen Kurt“, „König Kurt“ oder den „Omar Sharif von Hildesheim“ nennen. Und weil das Schicksal der Meinung ist, dass es turbulent zugehen soll im Leben des 51-jährigen gelernten Unfallchirurgen. Anklage und Freispruch, Amtsenthebung und Comeback, Parteikarriere und Parteiausschluss – das klingt nach großer Politik. Und spielt doch zwischen Fachwerkgässchen und 50er-Jahre-Architektur in einem 105.000-Einwohner-Städtchen in Niedersachsen.

Die Stadtmauern aber hat Kurt Machens längst übersprungen. Karlsruhe zum Beispiel: Dort sitzt der Bundesgerichtshof, und der hat gestern das nächste Kapitel in der Geschichte von Machens aufgeschlagen. Die Karlsruher Richter hoben den Freispruch wieder auf, den Machens vor gut einem Jahr vor dem Landgericht Hildesheim erkämpft hatte. Machens war damals angeklagt wegen Korruption und wird nun erneut vor Gericht gestellt. Diesmal allerdings nicht in Hildesheim, sondern in Göttingen – weil ein Strafverfahren gegen den Oberbürgermeister der Stadt „besser in einer anderen Stadt“ verhandelt wird, so der Vorsitzende des 3. Strafsenats, Klaus Tolksdorf.

Vorgeworfen werden Machens Bestechlichkeit, Vorteilsnahme, Untreue und Betrug, das gesamte Verfahren wird somit noch einmal neu aufgerollt. Noch einmal wird Machens zu schildern haben, wie er im Frühjahr 2000 als Hildesheimer CDU-Oberbürgermeister und Aufsichtsratschef der Hildesheimer Stadtwerke 25 Prozent der Stadtwerke zum Verkauf anbot. Den Zuschlag bekamen die Energiekonzerne Ruhrgas und Thüga. Problematisch daran war, dass die beiden Konzerne wenig später plötzlich rund 470.000 Euro an einen Verein spendeten, den Machens zusammen mit sechs anderen Herren gegründet hatte. Der Verein hatte den Namen „Pecunia non olet“, zu deutsch: Geld stinkt nicht.

Und trotzdem entwickelte das Geschäft einen strengen Geruch, der bis nach Hannover zu Oberstaatsanwalt Rainer Gundlach drang. Die Ermittlungen wegen Bestechlichkeit und Betrug gegen Machens begannen, ebenso wie sein Abstieg als Oberbürgermeister. Im Sitzungsprotokoll des Hildesheimer Stadtrats vom 4.11.2002 heißt es nüchtern: „Herr Möllring beantragte im Namen der CDU-Fraktion, Herrn Machens vom Amt des Oberbürgermeisters abzuberufen.“

Herr Möllring ist mittlerweile Finanzminister in Niedersachsen und bekam seinen Antrag durch. Nichts sollte es helfen, dass die „Pecunia non olet“-Vereinsmitglieder das Geld nicht privat nutzten, sondern damit Sportclubs, Schulen und Kultur förderten – lauter schöne Sachen, mit denen sich König Kurt dem Volk als guter Fürst empfehlen konnte. Machens wurde als Oberbürgermeister abgewählt, stand zusammen mit vier anderen Vereinsgründern vor Gericht und wurde – freigesprochen. Die damalige Begründung des Landgerichts: Es habe keine „Unrechtsvereinbarung“ zwischen Machens und den Managern der Energiekonzerne gegeben. Der Bundesgerichtshof aber ist nun der Meinung, dass schon das Fordern von Spenden Bestechlichkeit bedeutet und sagt: „Eine Verurteilung der Angeklagten wegen Bestechlichkeit erscheint als möglich.“

Käme es nun doch zu einer Verurteilung, Kurt Machens würde tief fallen. Denn seit dem Freispruch im Frühjahr 2005 hat der 51-Jährige ein Comeback in der Kommunalpolitik hingelegt, das vor allem der CDU weh getan hat: Kaum war Machens freigesprochen, wollte er wieder für die CDU kandidieren. Die aber hatte bereits einen Kandidaten, und weil Machens seine Kandidatur trotzdem nicht zurückzog, schloss die Hildesheimer CDU ihren langjährigen Star aus der Partei aus. Kurt Machens trat bei den Oberbürgermeisterwahlen im Oktober 2005 als parteiloser Kandidat an und gewann gegen den CDU-Kandidaten Ulrich Kumme. Seit 1. Februar 2006 ist er wieder im Amt.

Und offensichtlich sind damit alle glücklich. Machens sei ein „konservativer Politiker, aber undogmatisch und aufgeschlossen für Neuerungen“, sagt der Fraktionschef der Grünen im Stadtrat, Ulrich Räbiger. SPD-Fraktionschef Hartmut Häger ist sich mit dem CDU-Kollegen Andreas Lücke einig: Man werde kein Amtsenthebungsverfahren anpeilen – um weitere negative Berichterstattung über Hildesheim zu vermeiden. Zu Hause ist Kurt König.