: Lehrer als Opfer
Dass ein Schüler eine Lehrerin krankenhausreif schlage, sei jedoch ein „Einzelfall“, sagt die GEW
Nachdem ein zwölfjähriger Grundschüler eine Lehrerin mit einem Fausthieb krankenhausreif geschlagen hat, hat die Debatte über den Zustand der Berliner Schulen neue Nahrung erhalten. Der Vorfall hatte sich am Dienstag an der Robert-Koch-Schule in Kreuzberg ereignet. Laut Schulsenator Klaus Böger (SPD) nehmen die Meldungen aus den Schulen über Gewaltvorfälle zu – nicht nur jene über Gewalt zwischen Schülern, sondern auch über Gewalt gegen Lehrer. Letzteres beziehe sich aber auch auf Mobbing und Ähnliches.
Berichte über angeblich zunehmend gewalttätige Schüler bestimmen seit Wochen die Schlagzeilen der Medien. Auslöser war der Brandbrief der Lehrer an der Rütli-Hauptschule in Nord-Neukölln Anfang April. Der Vorfall vom Dienstag zeigt, dass nicht nur Schüler, sondern auch Lehrer die Opfer sein können. Der Fall sei aber „ein extremer Einzelfall“, sagt der GEW-Fachgruppenleiter für Hauptschulen Norbert Grundacker. „Das ist nicht der Alltag an den Schulen.“ Ein Problem sei aber die zunehmende verbale Gewalt, der Lehrer in sozialen Brennpunkten ausgesetzt seien. Das betreffe nicht nur Hauptschulen, sondern auch Grundschulen. Lehrer würden auch angespuckt oder angerempelt, wenn sie versuchten, kämpfende Schüler zu trennen. Bis zu dem Brandbrief aus der Rütli-Schule seien Gewaltvorkommnisse in den Schulen eher unter den Teppich gekehrt worden, weiß Grundacker. Schulaufsicht und Schulleiter hätten die Probleme lieber nicht benannt, um zu verhindern, dass Eltern ihre Kinder abmelden.
Der Leiter der GEW-Rechtsstelle, Detlef Mücke, hat die Erfahrung gemacht, dass Lehrer, die Gewalt durch Schüler erlebt haben, von der Schulverwaltung im Stich gelassen werden. Wenn es darum gehe, für den Lehrer eine adäquate Verwendung an einer anderen Schule zu finden, „gehen die Verantwortlichen auf Tauchstation“. Das bestätigt eine 54-jährige Lehrerin der Sekundarstufe I, die nach der Morddrohung durch eine Schülerin im November 2005 an einer Reinickendorfer Hauptschule kapituliert hat. Sie möchte gerne wieder arbeiten – aber an einer „friedlichen Schule“. Statt entsprechende Angebote von der Behörde zu bekommen, sei sie bis zum Dezember 2006 krankgeschrieben worden. LEE, PLU
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