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Archiv-Artikel

Der Erlöser

GASTARBEITER Er brachte die Coolness nach Deutschland: Chris Howland, der am Samstag verstarb, zeigte, wie man Radio und Fernsehen macht – ohne staatstragenden Gestus

VON JAN FEDDERSEN

Guckt man sich Schnipsel aus seinen Sendungen an, ist kaum noch zu ermessen, welche Bedeutung dieser Mann für die deutsche Unterhaltungsbranche hatte: Chris Howland als ganz junger Mann – das ist nicht allein mimisch ziemlich nah an Mr. Bean oder ähnlichen britischen Humorfiguren. Howland verstand sich auch auf das gleiche Muster der Verführung seines Publikums: lustig, ironisch und beiläufig – und immer fähig, den letzten Deppen zu geben, auf dessen Kosten man schmunzelt.

Howland, der seine prominenteste Zeit vor einem halben Jahrhundert hatte, war im jungen Medium Fernsehen eine Erlöserfigur: Spricht man darüber, dass nach dem Nationalsozialismus angloamerikanische Coolness und Lockerheit die deutschen Verhältnisse aufmischte, dann muss eben dieser ehemalige britische Soldat erwähnt werden.

Nicht zum Mitklatschen

In erster Linie kennt man ihn fernsehhistorisch als Präsentator der Show „Musik aus Studio B“, die nur deshalb so hieß, weil der NDR und seine Unterhaltungsabteilung die neue Sendung aus einem Studio B ausstrahlte. Howland hat mit dieser Show deutsche Schlager präsentiert – aber nicht jene, die von dräuenden Heimwehschmerzen, tragischen Liebesdingen oder hysterischen Wirtschaftswunderanstrengungen kündeten, sondern solche, die als deutschsprachiges Liedgut daherkamen, aber meist Coverversionen amerikanischer oder englischer Songs waren. Und die changierten allesamt schon in die Richtung des Beat, auch des Jazz, vor allem aber jener Sorte Pop, die nicht so recht zum deutschen Mitklatschen taugten.

Udo Jürgens, Grethe und Jörgen Ingmann, Gitte Haenning, Billy Mo, Roberto Blanco, Caterina Valente oder Gunnar Wiklund: Namen, die von Ausnahmen abgesehen, nur noch pophistorisch Interesse wecken, aber damals die Moderne verkörperten. „Musik aus Studio B“ machte damals experimentelle Formate wie das Radio-Bremen-Format „Beatclub“ (mit Uschi Nerke) erst möglich: Die Fernsehverantwortlichen erkannten an Howland, dass nur wenige Zuschauer gegen Smartness protestierten, wenn etwa Howland tatsächlich Vinylplatten auflegte, höchstpersönlich, unfallfrei. Eine Show als „Work in Progress“.

Der Zuhörer als Gast

Howland, der nach dem Krieg beim British Forces Network, dem Soldatensender der britischen Truppen in der Bundesrepublik, als Radioplauderer begann, kam in den frühen Fünfzigern zum NDR/WDR-Vorläufer NWDR – und profilierte sich am Mikro als das, was Deutsche damals nicht konnten: Ohne staats- und kulturtragenden Gestus den Zuhörenden das Gefühl zu geben, beiläufig Gast neben dem Radio zu sein – nahbar. Der Radio-DJ als Nachbar, nicht als distanzierter Kathederpädagoge.

Howland ist mit seiner Art beruflich perfekt über die Runden gekommen. Er hatte keine Angst, weiter im Radio zu moderieren, und schon gar nicht vor Trash wie die „Winnetou“-Filme, oder Schlager nach dem Motto „Wenn andere nicht singen können und mit Platten Erfolg haben, kann ich das auch.“

Howland hat eine instruktive Biografie verfasst – eine andere Sicht auf das, was landläufig die Wirtschaftswunderära genannt wird: „Yes Sir! Aus dem Leben eines englischen Gastarbeiters.“ Man kann sich vor allem dies dort erlesen: Howland war eine perfekte Besetzung für die Rolle des guten Besatzungsonkels, der sich auf Entertainment allein durch seine Persönlichkeit verstand. Dass er seinen englischen Akzent in seinem vorzüglichen Deutsch nie lassen wollte, um seinen klanglichen Markenkern nicht zu verlieren, sei aber, schwor er im höheren Alter, ein Scherz, „ein schlechter deutscher Scherz“, wie er anfügte.

Samstag ist der Mann, der sich als „Mr. Pumpernickel“ vorstellte, in seiner neuen Heimat im Rheinland gestorben.