: Eine Milliarde für Leipziger Mini-Metro
GROSSPROJEKTE S 21 heißt in Leipzig City-Tunnel. Nun wird die U-Bahn-Strecke eröffnet. Wie in Stuttgart explodierten die Kosten, die Wirtschaftlichkeit ist fraglich. Dennoch regt sich kaum jemand darüber auf
LEIPZIG taz | Während die Stuttgarter noch streiten, rüsten sich die Leipziger zum Feiern. Am Samstag wird in Leipzig die U-Bahn, genannt City-Tunnel, eröffnet. Kurz vor dem offiziellen Festakt werfen die Zustände an der Einstiegshaltestelle, am historischen Bayerischen Bahnhof, allerdings ein bezeichnendes Licht auf das Gesamtprojekt. Zwischen Bauzäunen und Dreckhalden führt nur ein schmaler Durchgang zur neuen S-Bahn-Station. Trotz vier Jahren Verspätung und einer Verdopplung der Kosten ist das Großprojekt immer noch nicht ganz abgeschlossen.
Der gerade mal 1,4 Kilometer kurze Tunnel kostet insgesamt 960 Millionen Euro. Er ist das Herzstück einer rund 5 Kilometer langen Trasse in einem neu organisierten S-Bahn-Netz.
Für die lange Bauzeit von zehn Jahren und die Kostenexplosion, die der Sächsische Rechnungshof bereits 2011 rügte, sorgten Fehlplanungen und technische Probleme. Der unberechenbare Baugrund in der Leipziger Innenstadt bestätigte den alten Tunnelbauerspruch „Vor der Hacke ist es dunkel“. Durch einen unvorteilhaften Vertrag, den noch die CDU-Alleinregierung 2002 abschloss, muss der Freistaat Sachsen zudem die Mehrkosten zum größten Teil allein auffangen. Den sächsischen Steuerzahler kostet der Tunnel so eine halbe Milliarde Euro, die EU und der Bund sind mit jeweils reichlich 200 Millionen beteiligt. Die Deutsche Bahn als Nutzer zahlt nur knapp 18 Millionen.
„Mit diesem Geld hätte man das gesamte sächsische Bahnnetz ertüchtigen können“, kritisiert Verkehrsexpertin Eva Jähnigen aus der Grünen-Landtagsfraktion.
Zudem bringt der geplante 5-Minuten-Takt nur den Reisenden in Nord-Süd-Richtung deutliche Fahrzeitverkürzungen. Reisende, die nach Osten oder Westen wollen, müssen sich bedingt durch ungünstige Einfahrten wohl auf längere Fahrzeiten einstellen.
Anders als in Stuttgart blieben Massenproteste gegen das überdimensionierte Verkehrsprojekt jedoch aus. 2010 sammelte eine Bürgerinitiative zwar einmal rund 10.000 Unterschriften, als der Freistaat die Zuschüsse für den Nahverkehr kürzte und wegen des City-Tunnels die S-Bahn-Linie nach Grünau eingestellt wurde. Doch dabei blieb es. Die Leipziger bekommen nämlich ihre neue Kurz-Metro praktisch geschenkt. Die Stadt muss lediglich 7 Millionen Euro beisteuern.
Ingenieurtechnisch ist der Tunnelbau außerdem eine Meisterleistung. Die 65 Meter lange Tunnelbohrmaschine „Leonie“ oder der vorübergehend „beiseitegerollte“ Portikus des Bayerischen Bahnhofs stießen auf reges Publikumsinteresse.
Schon mit dem 1909 begonnenen Bau des Leipziger Hauptbahnhofs als Kopfbahnhof sollte eine „Unterpflasterbahn“ diesen mit dem südlichen Bayerischen Bahnhof verbinden. Zwei Kriege und das knappe Budget der DDR verhinderten einen Weiterbau der Tunneleinfahrten. Nach der Wende wurden die Planungen wieder aufgenommenen. Zur ursprünglich vorgesehenen Nutzung durch den Fernverkehr wird es nur in Ausnahmefällen kommen, weshalb Linke und Grüne die Wirtschaftlichkeit anzweifeln. MICHAEL BARTSCH