: Fitnesstest bei Wettkampfbedingungen
Spanien zählt nach dem ersten Sieg und dank der Leistung von Mittelfeldspieler Xavi zum Kreis der Geheimfavoriten
LEIPZIG taz ■ Bevor die Mannschaften in die WM-Stadien einlaufen, werden offizielle Daten über die äußeren Bedingungen mitgeteilt. 33 Grad waren es im Leipziger Zentralstadion vor dem Anpfiff der Partie Spanien gegen Ukraine. So richtig beneidete keiner der Zuschauer die Spieler, die gleich ein WM-Spiel austragen mussten. Vielleicht hätten die Fans sogar Verständnis dafür gehabt, wenn sich die Begegnung ganz langsam entwickelt hätte. Doch das tat sie nicht.
Die Spanier haben ihren Gegner regelrecht schockiert, indem sie von Anfang an modernen Tempofußball spielten. Mit dem 4:0-Sieg und vor allem wegen der Art und Weise, wie dieser zustande gekommen ist, haben sie die Rolle des Geheimfavoriten im Handstreich von den Ukrainern übernommen.
Es war ein vor allem in physischer Hinsicht überzeugender Auftritt der Mannschaft von Trainer Luis Aragones. Die Spanier rannten und rannten und rannten. Erst nach dem 3:0 durch den Elfmetertreffer von David Villa kurz nach der Pause beruhigten sie sich ein wenig. Gegen Ende der Partie aber drehten sie noch einmal auf, so als wollten sie vorführen, wie fit sie wirklich sind.
„Wir haben gesehen, dass die körperliche Verfassung stimmt“, stellte Luis Aragones nach dem Spiel fest. Auch für Mittelfeldmann Xavi war das Spiel so etwas wie ein Fitnesstest unter Wettkampfbedingungen. Er war froh, ohne größere Ermüdungserscheinungen durch das Spiel gekommen zu sein. In der Tat wirkte er alles andere als erschöpft, als ihm nach dem Spiel eine Fifa-Mitarbeiterin das Bierkrügel überreichte, das der von der technischen Kommission des Weltfußballverbandes zum Mann des Spiels gewählte Fußballer als Trophäe mit nach Hause nehmen darf. Es war eine gute Wahl, die die Fifa-Experten getroffen hatten. Denn der schnelle und ideenreiche Mitttelfeldspieler vom FC Barcelona war die dominierende Figur des Spiels. Mal trieb er den Ball alleine nach vorne, mal schickte er einen der drei Stürmer steil. Es war ein Eckball von Xavi, den Xabi Alonso in der 13. Minute zum 1:0 ins Tor köpfte. An beinahe allen Offensivaktionen der Spanier war der Mann beteiligt, der unermüdlich rackern kann und dennoch leichtfüßig wirkt. Er ist das Herzstück des Dreier-Mittelfelds. Xavi, Xabi Alonso und Moarcos Senna haben den Trainer der enttäuschenden Ukrainer, Oleg Blochin, derart beeindruckt, dass er nach dem Spiel sagte: „Ich haben meine Spieler gewarnt, aber es hat nichts genutzt.“
Die Pässe aus dem Mittelfeld fanden in den drei Stürmern David Villa, dem Doppeltroschützen (17., 48.), in Luis Garcia und vor allem im kraftvollen Fernando Torres, dem Schützen des sehenswerten Treffers zum 4:0 (81.), dankbare Abnehmer. Die drei Angreifer standen bisweilen zu dritt im Strafraum – umgeben von sechs bis acht Gegenspielern und verstanden es, den Ball in ihren Reihen kreisen zu lassen. Das sah oft ziemlich gut aus und dürfte auch Luis Aragones gefallen haben. Und so wunderte sich der Coach auch nicht, als er nach dem Spiel gefragt wurde, ob Spanien nun endlich über eine Mannschaft verfüge, die bei einer WM ganz weit kommen kann. „Wenn wir es schaffen, unsere Fitness über das ganze Turnier nicht zu verlieren, dann“, jetzt wurde er ganz leise, „können wir Weltmeister werden.“
ANDREAS RÜTTENAUER