: Fußball als Pizzabeilage
TAZ SERIE Berliner Clubs der WM-Teilnehmer (3): Essen, Autos, Fußball. Florian Sinnig, der deutsche Präsident von Italia Berolina, bringt das locker unter einen Hut
VON JOHANNES KOPP
Er trägt das grün-weiß-rote Wappen vom Club Italia Berlino auf seinem azurblauen Shirt. Er hat es auch auf die Rückseite seines Mobiltelefons geklebt. Und er behauptet: „Ich habe mir gar überlegt, es auf meinen Arm eintätowieren zu lassen.“ Florian Sinnig dokumentiert gerne, dass er sich dem Club Italia mit Haut und Haaren verschrieben hat. Er, der Deutsche, ist Präsident des einzigen italienischen Fußballvereins in Berlin.
Sinnig ist überzeugt vom Club Italia oder präziser gesagt: Er ist überzeugt von seiner Idee, den einstigen Kreisligisten ganz weit nach oben führen zu können. Wie weit? „Wir wollen in die erste Bundesliga“, sagt der 44-Jährige . Er schmunzelt. Er weiß, dass ihn mit dieser Ansage noch keiner recht ernst genommen hat. Und ob er es selbst ernst damit meint, weiß man auch nicht so genau. Eines hat er jedenfalls mit dieser steilen Zielvorgabe erreicht, die er vor drei Jahren erstmals verkündete, als er das Ruder beim Kreisligisten übernahm: Man nimmt seither Notiz von seinem Verein, zumal das Team mit zwei Aufstiegen in Folge bis in die Berliner Landesliga die Geschichte am Köcheln hielt.
Nur in dieser Saison gab es „einen Karriereknick“, wie Sinnig einräumt. Der Durchmarsch durch die Landesliga misslang knapp. Am Ende hätte der Club Italia nur einen Sieg mehr benötigt. „Schade, schade, man gewöhnt sich so ans Aufsteigen“, sagt Sinnig in seinem italienischen Restaurant, die Osteria Maria. Soeben hat er hier in Steglitz das blamable Vorrundenaus der italienischen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Südafrika vor der Leinwand mitverfolgt. Bis kurz vor dem Abpfiff hat er immer wieder gesagt: „Wenn sie heute weiterkommen, dann werden sie Weltmeister.“ Sinnig ist kein Mann der Zwischentöne.
Lässt man sich auf Sinnigs fantastische Gedankenwege ein, dann ist auch die Kreisliga von der ersten Profiliga nur ein paar Katzensprünge entfernt. Flink und geübt skizziert er die hervorragende Ausgangslage vom Club Italia Berlino: Der Verein habe keinen italienischen Konkurrenten in der Stadt, dafür stünden aber mit 1.000 italienischen Restaurants in Berlin eine riesige Zahl an möglichen Kooperationspartnern zur Verfügung. „Die wollen wir alle auf unsere Seite ziehen“, sagt der Gastronom Sinnig. Als Stadiongäste kämen die 15.000 italienischstämmigen Berliner in Betracht sowie die zahlreichen Freunde der italienischen Lebensart.
Durch die Beliebtheit der italienischen Küche ist Sinnig selbst als Gastronom groß geworden. Er besitzt mehrere italienische Restaurants in der Stadt. Nun will er den Club Italia durch den Einsatz mediterraner Kochkunst zur Größe verhelfen. Sinnig sagt: „Ich bin erfolgsbesessen.“
Ausgewählte Begegnungen des Club Italia wurden bereits in den letzten beiden Jahren wie italienische Volksfeste gefeiert. Am Spielfeldrand wurden Pizzen in Unmengen zubereitet und gratis verteilt. Musiker hatte man als Stimmungsmacher engagiert. Zweimal kamen über 1.000 Zuschauer trotz des bescheidenen fußballerischen Laienspiels, das als Beilage zur Pizza geboten wurde. Normalerweise verlieren sich zu solchen Spielen nicht mehr als zwei Dutzend Unentwegte. Unterklassigen Fußball muss man zum Event machen, so lautet das Credo von Florian Sinnig.
Nächste Saison will er sein Konzept ausbauen. Bei jedem Heimspiel soll dann die „Club Italia Flat Rate“ angeboten werden. Für 5 Euro kann man so viel essen, wie man will, und zwar nicht nur Pizza. „Wir werden mehr kochen am Spielfeldrand“, kündigt Sinnig an. Er peilt 1.000 Zuschauer pro Spiel an. „Sind die Zuschauer da, dann läuft alles von selbst“, glaubt Florian Sinnig. Dann müsse er nicht wie andere Vereine bei Bezirksämtern um geeignete größere Spielorte betteln. Der Druck der Masse spreche für sich selbst.
Bis zum verpassten Aufstieg vor wenigen Wochen schien der Club Italia auch alles richtig zu machen. Die Zuschauer kamen, die Mannschaft gewann, die Medien berichteten, die Sponsoren wurden aufmerksam. Ein Rad griff ins andere. Den Schwung nutzte der Verein, um eine Jugendabteilung aufzubauen, die mittlerweile viele italienischstämmige Kinder aus ganz Berlin anzieht. Giovanni Bruno, der Vizepräsident des Vereins, ist von der jüngsten Entwicklung begeistert. Er ist seit den Anfängen dabei, als sich der Club 1986 am Berliner Spielbetrieb anmeldete. „In der Ära vor Sinnig hat es viele Intrigen und Streitereien im Klub gegeben“, erzählt er. Der Club Italia sei kurz vor der Auflösung gewesen. Dem Deutschen Sinnig begegneten die Mitglieder aber unvoreingenommen. Und an die Herkunft des Vereins wird nach wie vor gedacht. „Die besten sechs Italiener in Berlin spielen bei uns“, sagt Bruno.
In der vergangenen Saison sind alle Jugend- und Seniorenteams von Italia Berlin aufgestiegen. Nur die entscheidende Herrenmannschaft hat es eben nicht geschafft.
Beinahe hätte Sinnig den sportlichen Makel durch ein gutes Geschäft vergessen gemacht. Er verhandelte mit der Vereinsführung des klammen Oberligisten Berlin Ankaraspor Kulübü 07 (BAK) über eine Fusion. Wäre man zusammengekommen, hätte der Club Italia gar eine Liga übersprungen. Doch die Gespräche scheiterten. Vermutlich, weil der BAK sich noch für den DFB-Pokal qualifizierte und unverhoffte Einnahmen in die Kasse kommen.
Sinnig möchte diesen Zusammenhang nicht bestätigen. Aber dem Gastronomen ist vergangene Woche schon der nächste große Clou gelungen. Er war in Frankfurt und hat mit der zentralen Deutschland-Niederlassung von Fiat einen Sponsorvertrag abgeschlossen. Das internationale Großunternehmen wird zum Partner des Berliner Landesligisten. Florian Sinnigs Fantasie hat wieder Auftrieb bekommen: „Es wäre doch toll, wenn Fiat hier dasselbe macht wie VW in Wolfsburg.“