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Archiv-Artikel

Aus die Maus

VON HANNAH PILARCZYK

Ein Jahr lang noch wird die politische Woche wie gewohnt sonntags um 21.45 Uhr mit „Sabine Christiansen“ beginnen, doch dann ist Schluss: Ab September 2007 übernimmt Günther Jauch den erfolgreichsten Polit-Talk im deutschen Fernsehen (siehe Porträt unten). Gestern Mittag gab die ARD überraschend den Abgang ihres neben Harald Schmidt wohl prominentesten Gesichtes bekannt. „Die Gründe für diese Entscheidung liegen in einem verstärkten Engagement meinerseits für das weltweite CNBC-Format ‚Global Players‘ als auch im privaten Bereich durch eine Verlagerung meines Lebensmittelpunktes ins Ausland“, erklärte Christiansen.

Am 4. Januar 1998 startete die ehemalige „Tagesthemen“-Moderatorin ihre Talkshow. Wegen Christiansens zurückhaltender Gesprächsführung zunächst als „Sendung mit der Maus“ verunglimpft, steigerte sich der Einfluss der Show zusehends: Ein „Ersatzparlament“ erkannte der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse schließlich in ihr, weil seine Politiker-Kollegen lieber im Fernsehstudio als im Plenarsaal ihre neuesten Positionen bekannt gaben.

Dass es so weit kommen konnte, liegt ironischerweise genau an der Sache, für die Christiansen anfangs so kritisiert wurde: Wer nach Berlin in die blaue Studiokugel kommt, hat keine unangenehmen Nachfragen zu fürchten. Bei Christiansen („die Doris Day des deutschen Journalismus“, Kabarettistin Maren Kroymann) darf sich darstellen, wer will. Hauptsache, er tut es laut und möglichst kontrovers. Stunden um Stunden mit Hans-Olaf-Henkel-Monologen, bemalten Westerwelle-Sohlen und Schröder-Frotzeleien waren die Folge.

Der Ruf, dass man bei der dünnen Dame („Germany’s top talk show host“, CNBC) meist pfleglich behandelt wird, machte sich sogar im Ausland breit. Exklusive Interviews mit US-Präsident George W. Bush oder Senatorin Hillary Clinton waren der Dank.

Diese Linie der Gefälligkeit dürfte durch Christiansens Nachfolger Günther Jauch nahtlos weitergeführt werden. Mit Frank Plasberg („Hart aber fair“/WDR) stand zwar schon seit längerem ein Nachfolgekandidat in den Startlöchern, der sowohl Substanz als auch Quote liefert. Doch dessen Moderationsstil schien den ARD-Vorderen wohl doch zu unbequem für eine „Tatort“-Anschlusssendung zu sein.

Zuletzt kriegte Christiansen („Frau Merkel“, Edmund Stoiber) aber doch Probleme mit der Harmonie: Seitdem die große Koalition regiert, mangelt es an Kontrahenten. „Die Kleinen möchten sich gern mit den Großen streiten. Die Großen möchten sich aber nicht mit ihnen streiten“, erklärte Christiansen unlängst im Spiegel.

Die Konsequenz, die die Redaktion daraus zog: nicht mehr so viele Politiker einladen. Die Konsequenz, die die Zuschauer daraus zogen: nicht mehr so viel Christiansen gucken. Im letzten halben Jahr sanken die Einschaltquoten kräftig unter Senderdurchschnitt: Schalteten zu Wahlkampfzeiten noch rund 18 Prozent ein, waren es in den letzten sechs Monaten nur noch durchschnittlich 12,9 Prozent.

Großen Ehrgeiz, die Sendung aus dem Quotentief zu holen, hat Christiansen wohl nicht mehr. Konkurrenzsendungen wie „Berlin Mitte“, mit dem das ZDF den Erfolg aus dem Ersten kopieren wollte, wirken mittlerweile dank forscherer Gesprächsführung und Einspielfilmen frischer und beweglicher. Doch auch nach ihrem Abgang, zu dessen Zeitpunkt – fast auf den Tag genau – sie 50 Jahre alt wird, wird Christiansen einflussreich bleiben: Mit Kanzlerin Angela Merkel und Verleger Friede Springer hat das ehemalige Junge-Union-Mitglied zwei der einflussreichsten Frauen in Deutschland zu Freundinnen. Auch wenn es sie der Liebe wegen nach Frankreich zieht – ganz wird Deutschland wohl doch nicht ohne ihre diskreten Einflüsterungen auskommen.