piwik no script img

Archiv-Artikel

Showdown in Frankfurt

ARBEITSKAMPF Heute verhandeln Lokführer und Deutsche Bahn. Dabei geht es auch um das geplante Gesetz der Bundesregierung zur Tariftreue

BERLIN taz | Mit einem Ultimatum geht die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) in die vorerst letzte Verhandlungsrunde mit dem Personalvorstand der Deutschen Bahn. Sollte das Unternehmen am heutigen Freitag in Frankfurt am Main kein verhandlungsfähiges Angebot für eine tarifvertraglich abgesicherte Lizenzverlustversicherung vorlegen, sei ab dem 16. Januar mit Streiks der rund 20.000 Lokführer des Unternehmens zu rechnen, erklärte eine GDL-Sprecherin. Seit zwei Jahren werde ergebnislos verhandelt.

Mit der Versicherung sollen Lokführer, die ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können, vor Arbeitsplatzverlust oder materiellen Einbußen bei Versetzung in andere Tätigkeitsbereiche geschützt werden. Dabei gehe es auch um Eisenbahner, „die nach Suiziden auf der Strecke hohen psychischen Belastungen ausgesetzt sind“, so der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky. Während es für die vor der Bahnreform im Jahr 1994 verbeamteten Lokführer entsprechende Absicherungen bereits gebe, seien die Angestellten, die mittlerweile 60 Prozent ausmachten, nicht umfassend geschützt.

Das DB-Management zeigte bislang wenig Neigung, auf die Forderung nach einer Lizenzverlustversicherung einzugehen, und verweist auf den „Demografietarifvertrag“, den sie mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die für die anderen Beschäftigtengruppen der Bahn zuständig ist, abgeschlossen hat. Darüber hinaus habe man der GDL ein „extrem attraktives Angebot gemacht“, erklärte eine Bahn-Sprecherin der Braunschweiger Zeitung. Dabei gehe es nicht nur um den materiellen Schutz bei Berufsunfähigkeit, sondern auch um eine Arbeitsplatzgarantie am bisherigen Standort, wenn die Bahn Verkehrsleistungen einstellt oder einschränkt. Diese Garantien sind allerdings auf ein Jahr beschränkt und daher für die GDL inakzeptabel.

Offensichtlich ist, dass es für beide Seiten um wesentlich mehr als die soziale Absicherung der Lokführer geht. Die Große Koalition hat vereinbart, ein Gesetz zur sogenannten Tarifeinheit auf den Weg zu bringen. Dies würde bedeuten, dass nur noch die Mehrheitsgewerkschaften in einem Betrieb Tarifverträge aushandeln könnten, eigenständigen Spartenorganisationen wie die GDL hätten dann kein Streikrecht mehr. Der jetzt von den Lokführern angestrebte Vertrag hätte allerdings auch im Falle einer späteren Gesetzesänderung Gültigkeit, was die Bahn AG vermeiden will. Die GDL wiederum will demonstrieren, dass sie keineswegs bereit ist, auf die eigenständige Vertretung der Lokführer zu verzichten. Dass sie in der Lage ist, den Bahnverkehr mittels Streiks lahmzulegen, hat sie bereits des Öfteren bewiesen. RAINER BALCEROWIAK