BETTINA GAUS MACHT
: Die Großen von gestern. Machtlos. Pausenlos

Lafontaine, Biedenkopf, Stoiber – Politiker von einst tauchen dauernd in den Medien auf. Dabei haben sie eigentlich nichts mehr zu melden. Sie können auch nichts mehr durchsetzen. Den Medien ist das egal

Wenn ich den Fernseher anschalte, um Nachrichten zu sehen, läuft derzeit ständig „Die Tagesschau vor …“ – na gut, nicht gerade vor 20 Jahren, aber doch vor zwei. Oder drei. Oder zumindest die vom letzten Jahr. Wer in diesen Tagen alles wieder etwas zu sagen hat! Oskar Lafontaine, Wolfgang Gerhardt, Rita Süssmuth, Kurt Biedenkopf, Richard von Weizsäcker. Und natürlich Edmund Stoiber. Der fleht einen, der eigentlich auch schon nicht mehr richtig dabei ist, an, doch bitte, bitte in der Politik zu bleiben. Aber Roland Koch mag nicht. Sagt er.

Für manche Leute entwickle ich auf einmal unerwartet herzliche Gefühle: Für Gerhard Schröder zum Beispiel, für Helmut Kohl, sogar für Joschka Fischer. Sie haben den Mund gehalten. Wenn man es recht bedenkt, halten sie schon ziemlich lange den Mund. Ach ja: Horst Köhler hat sich übrigens auch nicht geäußert. Dabei ist ja gar nichts dagegen einzuwenden, dass frühere Spitzenpolitiker gelegentlich Stellung beziehen zu Themen der Zeit. Aber müssen die Mächtigen von gestern unbedingt all das sagen, was die Mittelmächtigen von heute sowieso dauernd sagen? Und muss sich jedes Mal jemand finden, der es sendet oder druckt?

Auf die berechtigte Frage, weshalb stets nur die ewig gleichen Leute in den Medien zu Wort kommen, lautet die stets gleiche Antwort: weil noch so kluge Abgeordnete aus der zweiten, dritten oder letzten Reihe eben keinen Einfluss haben und deshalb nichts bewirken können. Diese Ausrede ist als solche entlarvt. Um Prominenz geht es, nicht um Macht.

Allerdings ist es natürlich kleidsamer, wenn jemand, der gern gefragt werden möchte, nicht nur einen großen Namen, sondern auch noch einen klangvollen Titel hat, mit dem sich das Interview gut begründen lässt. Für Sigmar Gabriel ist nach seiner Wahlniederlage in Niedersachsen seinerzeit das Amt des Popbeauftragten der SPD erfunden worden. Offiziell hieß es zwar nicht so, aber der Begriff prägte sich ein, und wir verdanken dieser Tätigkeit manch interessante Meldung. Etwa, dass er die Auflösung des Musikduos Modern Talking 2003 „seit Langem überfällig“ fand. Gabriel ließ zugleich durchblicken, dass er in seiner Zeit als Ministerpräsident die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Dieter Bohlen verhindert habe. Wer ein solches Maß an Weisheit an den Tag legt, empfiehlt sich für höhere Aufgaben.

Oskar Lafontaine hat jetzt auch ein schönes neues Amt bekommen. Als eine Art Sonderbotschafter soll er die Kontakte seiner Partei ins Ausland pflegen. Meldungen, die gewählten Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst hätten ihn gebeten, die erste Reise sogleich ins Pfefferland anzutreten, wurden bislang allerdings nicht bestätigt.

Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz Foto: Amélie Losier