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Archiv-Artikel

Die spanische Blase

PLEITE In Santander werden Spieler seit Monaten nicht bezahlt und verweigern einen Kick. Auch andere Klubs sind überschuldet

AUS MADRID REINER WANDLER

Dieses Viertelfinalspiel des spanischen Pokals wird in die Geschichte eingehen. Und das, obwohl es überhaupt nicht ausgetragen wurde: Die Mannschaft des heimischen Drittligisten Racing de Santander versammelte sich an der Mittellinie. Anpfiff. Die gegnerische Elf des Erstligisten Real Sociedad San Sebastián spielte den Ball in die eigene Hälfte und dann ins Aus. Die Kicker von Racing ließen ihn liegen. Nach mehreren Ermahnungen brach der Schiedsrichter die Begegnung ab. Die Spieler beider Mannschaften trafen sich im Mittelkreis, umarmten sich. Von den Rängen hallte es: „Diebe raus!“

Die Rufe galten dem Vorstandsvorsitzenden von Racing de Santander, Ángel Lavín, der seit Oktober Spielern, Trainer und technischem Team keine Gehälter zahlt. In den sozialen Netzwerken gingen von Spielern aller großen Vereine in Spanien und Europa Sympathiebekundungen ein. Lavín blieb dem Stadion vorsichtshalber fern.

Es war das bisher letzte Kapitel in einer nicht enden wollenden Krise des völlig überschuldeten Klubs. Vor genau drei Jahren stieg der indische Multimilliardär Ashan Ali Sayed bei Racing ein. Er kaufte die Mehrheit der Aktien unter dem Versprechen, den Traditionsklub aus dem nordwestspanischen Kantabrien ganz nach oben zu führen. Das Gegenteil trat ein. Racing stieg erst in die zweite und dann in die dritte Liga ab. Ali Sayed ließ einen völlig überschuldeten Klub zurück, als er im Mai 2013 auf seine Aktien verzichtete. Eine Kapitalerweiterung scheiterte an fehlendem Kaufinteresse. Vorbei waren die Zeiten, als die regionale Politik bereitwillig für Millionenkredite der regionalen Sparkasse sorgen konnte. Die kämpft mit den Folgen der geplatzten Immobilienblase.

20 Vorstandsmitglieder und zwei Präsidenten durchliefen in nur drei Jahren die Chefetage im Stadion El Sardinero, viele von ihnen sind eng mit der in Madrid und Santander regierenden konservativen Partido Popular (PP) verstrickt. So war der Expräsident und spätere Verwalter des Aktienpakets von Ali Sayed, Francisco Pernía, Generalsekretär der Konservativen in Kantabrien. Jetzt soll er aus der Partei ausgeschlossen werden. Die Vermischung von Sport und Politik, die lange Zeit für Popularität und Wählerstimmen sorgen sollte, ist mittlerweile ein Problem für die Regionalregierung. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird der Konkursverwalter Racing de Santander abwickeln müssen.

Der Drittligist ist kein Einzelfall. Traditionsvereine wie Xérez, Real Betis Balompién aus Sevilla, Real Zaragoza oder Deportivo de la Coruña sind vom endgültigen Aus bedroht. Längst ist die Rede von einer „Blase im Profifußball“. Alleine die Vereine der ersten Liga haben Schulden von 3,6 Milliarden Euro angehäuft. Die beiden Großen – FC Barcelona und Real Madrid – sollen laut Medien mit je rund 900 Millionen Euro verschuldet sein. Trotz der alarmierenden Zahlen verschulden sich die Erstligavereine weiter. Jährlichen Gesamteinnahmen von 1,8 Milliarden Euro stehen Ausgaben von 2,1 Milliarden gegenüber. Dabei generieren der FC Barcelona und Real Madrid 50 Prozent der Einahmen.

Die Erstligisten stehen mit über 700 Millionen beim Finanzamt in der Kreide und mit mehr als 16 Millionen bei der Sozialversicherung. Genaue Zahlen veröffentlicht die Regierung nicht. Jahr für Jahr werden den Vereinen – trotz des hohen Defizits im Staatshaushalt – ihre Steuerschulden gestundet.

Die Europäische Union ermittelt mittlerweile gegen sieben spanische Erstligavereine. Betroffen sind die beiden Spitzenklubs Real Madrid und FC Barcelona sowie Athletic de Bilbao, Osasuna aus Pamplona und die drei Vereine aus der Region Valencia, FC Valencia, FC Elche und FC Hércules aus Alicante. Ihnen allen wird vorgeworfen, sich dank Beziehungen zu Regierung und Verwaltung Vorteile verschafft zu haben, die den nationalen und internationalen Wettbewerb verzerren.

So sind der FC Barcelona, Real Madrid, Osasuna und Athletic de Bilbao bis heute Vereine, obwohl ein Gesetz von 1990 alle Klubs verpflichtet, sich in Aktiengesellschaften umzuwandeln. Dies verschafft den vier Vereinen Steuervorteile. Real Madrid soll durch Immobiliengeschäfte mit der Regionalregierung indirekt subventioniert worden sein. Und die drei Klubs aus dem Land Valencia erhielten durch Bürgschaften der Regionalregierung Kredite von 118 Millionen Euro.