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Archiv-Artikel

Zahlen, wahr oder falsch & kaum zu glauben

Es ist leicht gesagt, heute: Ich fand Kalle immer schwer erträglich, damals, wegen der Zahlen. Ich habe sie ihm selten geglaubt, ich fand, der kocht doch sein Süppchen, auf diesen Zahlen, und das sollte so ganz anders aussehen als die tolle, klare Kloßbrühe, die so groß auf dem deutschen, ach was, auf dem europäischen Markt herauskommen sollte. Ich war damals Ende 1991 gegen das auch von Kalle betriebene Vorhaben, aus der taz eine Genossenschaft zu machen. Wollten wir doch – ich, wie eine Handvoll anderer RedakteurInnen – den großen Wurf, das große Geld, die große Zeitung, in einer Spielklasse mit La Repubblica, Le Monde, Guardian, El País. Und was wollten Kalle und die Seinen: klein bleiben (dachten wir damals).

Heute ist es, wie gesagt, ganz einfach: Kalle hatte recht. Unsere tolle große europäische taz gäbe es schon lang nicht mehr (wäre sie denn je Wirklichkeit geworden) – die taz als Genossenschaft aber blüht und gedeiht (mehr oder weniger), sie hat noch die alten Unterstützer, und sie hat neue Leser und neue Macher. Und sie baut ein neues Haus. Das heißt: Kalle baut ein neues Haus. Für die taz. Na bitte.

Recht gehabt. Recht gehabt wie in so vielem.

Dabei, was war das für ein stiller Junge, noch früher, damals zu Beginn der taz, ja, ein Jungengesicht, das das geschäftsführende Gesicht der taz wurde. Was wollte er eigentlich damals, wusste man's, weiß man's? Nein. Zu den Linksradikalen innerhalb der linken taz konnte er doch kaum gezählt werden, auch nicht zu den Gewerkschaftsfreunden oder den Immer-noch-Kommunisten oder den Spontis oder Feministen oder bedeutungsschwangeren Beobachtern der klandestinen Szene. Kalle doch nicht. Kalle achtete auf die Zahlen. Nahezu unerträglich für Spontis wie Feministinnen wie (fast) alle anderen. Und unerlässlich für das Überleben der Zeitung. Er machte aus dem Unternehmen taz eine andauernde Lehranstalt in Sachen Zahl. Und benutzte die natürlich. Für seine Ziele, wenn das denn andere waren, als die Zeitung weiterhin am Leben zu halten.

Dabei habe ich ihm sie selten geglaubt, seine Zahlen. Wahrscheinlich stimmten sie auch nicht. Wahrscheinlich stimmen sie auch heute nicht, jedenfalls die eine nicht – die Zahl 60. Ich habe ihn vor Kurzem mal wieder gesehen: nie und nimmer stimmt das mit der Zahl 60. So jung, wie der immer noch aussieht. Aber für welchen Geburtstag mit welcher Zahl auch immer:

Herzlichen Glückwunsch, Kalle. Andreas Rostek

■ Andreas Rostek, 1990 bis 1991 Redaktionsleitung