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Archiv-Artikel

Seibei möchte lieber nicht

Der 77. Spielfilm des japanischen Altmeisters Yoji Yamada erzählt liebevoll die Geschichte eines verarmten Samurai, der weder gern kämpft noch badet

Filme alter Meister sind fast immer klasse, vor allem, wenn sie aus Japan kommen. Yoji Yamada ist 75 und in Japan sehr berühmt. Vor allem, weil er bei der Fernsehserie „Tora-san“ Regie führte, die in Japan 27 Jahre lief und erst 1996 mit dem Tod des Hauptdarstellers endete. Yamadas äußerst schöner, formvollendeter, superangenehm anzuschauender Film „Twilight Samurai“ (sein 77.) ist historisch authentischen Kampfszenen verpflichtet, wurde vielfach ausgezeichnet und 2004 für den Oscar nominiert.

Die Handlung spielt in der ausgehenden Edo-Zeit, also etwa Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals arbeiteten die Samurai mangels Krieg vor allem als Verwaltungsbeamte; ihr hoher sozialer Status entsprach nicht immer ihrem tatsächlichen Einkommen. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, gingen sie oft Nebenbeschäftigungen nach, wie der Herstellung von Bambushütten, Papierschirmen oder Holzlaternen. Seibei Iguchi (Hiroyuki Sanada), der Held des Films, ist ein verarmter, bescheidener, friedliebender Samurai, der als Verwalter von Fischvorräten arbeitet. Weil seine Frau gestorben ist, muss er nach dem Dienst in der Abenddämmerung, wenn die Kollegen was trinken gehen, immer schnell nach Hause eilen, um sich um den Haushalt, seine kranke Mutter und die beiden Töchter zu kümmern. Hinter seinem Rücken wird er deswegen als „Zwielichts Seibei“ verspottet.

Seibei ist also eigentlich ein Hausmann, dem das Streben nach Ruhm und Besitz fremd ist und der sich nicht beklagt. Als er ungebadet vor einem großen Herrn erscheint, wendet der sich angewidert ab. Nur knapp entgeht Seibei dem Harakiri-Befehl. Sein übellauniger Klansherr dringt darauf, ihm eine Frau zu suchen, damit Geruch und liederliche Erscheinung in ihre Schranken gewiesen werden. Doch Seibei möchte lieber nicht.

Dann trifft er Tomoe (Rie Miyazawa). Die schöne Spielgefährtin seiner Kindheit hat sich gerade von ihrem gewalttätigen Mann scheiden lassen, der aber wieder angetrunken auftaucht und grob wird. Seibei fordert ihn zum Duell und besiegt den angesehenen Kämpfer in der Morgendämmerung am Fluss, obgleich er nur mit einem Holzschwert kämpft. Weil er aber sehr ungern kämpft und Gewalt verabscheut, bemüht er sich darum, seinen Sieg geheimzuhalten.

Zum Guten scheint sich nun das Schicksal zu wenden. Oft schaut Tomoe bei Seibeis Familie vorbei, hilft im Haushalt, befreundet sich mit den Töchtern. Das Haus blüht auf; schüchtern beginnen die beiden einander zu lieben. Heiraten will er trotzdem nicht – er will sie nicht mit seinem niederen Dasein belästigen.

Die unaufdringlich inszenierte Geschichte spielt viel in halbdunklen Räumen und wird aus der liebevollen Perspektive der jüngeren Tochter Ito erzählt. Sie nimmt eine Wende, nachdem es zu politischen Wirren und Aufständen kommt und Seibei befohlen wird, einen in Ungnade gefallenen Samurai zu töten. Er gerät so in eine No-win-Situation: Weigert er sich, wird seine Existenz und die seiner Familie vernichtet, gehorcht er, verrät er sich selbst.

Dieses Problem sei der aktuelle Bezug, so der Regisseur. In ähnlichen Zwickmühlen befänden sich viele japanische Angestellte, wenn sie etwa beauftragt würden, einem Untergebenen zu kündigen. Damals wie heute wäre Selbstmord eine in Japan akzeptierte Möglichkeit, mit einer derartigen Situation umzugehen. Der Samurai im Zwielicht wählt einen anderen Weg.

DETLEF KUHLBRODT

„Twilight Samurai“. Regie: Yoji Yamada. Japan 02, 129 Min. fsk am Oranienplatz