Ein Epileptikum im Trinkwasser

Drei von elf Proben positiv: Apotheker klagen, dass Medizin unkorrekt entsorgt wird

BERLIN taz ■ Die Erkältung ist weg, aber die Medizin noch da – was eigentlich zur fachgerechten Entsorgung in der Apotheke abgegeben werden sollte, landet oft im Müll oder Abfluss. Für durchschnittlich 456 Euro kauft jeder Deutsche Medikamente im Jahr. Helga Fritsch, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Apotheker schätzt, dass „maximal die Hälfte aller Arzneimittel-Reste“ in die Apotheken zurückgebracht werde.

Ein Analyseinstitut aus Tübingen fand jetzt im Auftrag des Fachblattes Der Feinschmecker in drei von elf Proben Arzneimittelrückstände im Trinkwasser: „In Proben aus Berlin, Dortmund und Essen fanden wir Spuren von Röntgenkonstrastmitteln und Medikamenten gegen Epilepsie“, erklärt Institutsleiter Walter Jäger und nennt die Funde „bedenklich“. Im Trinkwasser eines Essener Geschäftes enthielt ein Liter 718 Nanogramm Röntgenkontrastmittel, sieben mal mehr als der „Orientierungswert“ von 100 Nanogramm/Liter. In der Dortmunder Probe waren es 296 Nanogramm. Im Berliner Reichstag fließt mit dem Trinkwasser Antiepileptikum aus dem Hahn – wenn auch „nur“ 64 Nanogramm pro Liter.

Experten sehen in diesen Befunden keine Gesundheitsgefahr. Herrmann Dieter, Trinkwassertoxikologe des Umweltbundesamtes nennt die Werte „unerfreulich hoch, toxikologisch jedoch ohne jede Bedeutung“. Dennoch wünscht sich das Mitglied der deutschen Trinkwasserkommission ein Umdenken zu „vorsorglichem Handeln. Arzneimittel gehören nun mal nicht ins Klo“. Von dort wird es geklärt in Flüsse geleitet. Durch Versickerungen landen Medikamentenspuren so schließlich im Grundwasser und damit in der Trinkwasserversorgung.

Die Röntgenkontrastmittel gelangen über Patientenurin ins Trinkwasser. Das legt eine Untersuchung der Berliner Charité und der Berliner Wasserbetriebe nahe. „Technisch ist es möglich, den Patientenurin gesondert zu sammeln und zu entsorgen, allerdings mit großem Aufwand“, erklärt Alexander Beck, Radiologe an der Klinik für Strahlenheilkunde. Es sei aber fraglich, ob das was bringe. Die Auswertung stehe noch aus. Die Rückstände im Nanobereich könne man schon herausfiltern, so Stephan Natz von den Berliner Wasserbetrieben. „Aber das ist sehr teuer und ökologisch unsinnig.“ Denn der Nanofilter brauche viel Strom, verursache so viel Kohlendioxid.

SUSANNE SCHWARZ