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Archiv-Artikel

Springen, rennen, treffen

Basketballarbeiter Demond Greene sorgt im WM-Spiel gegen Panama nach der Pause für die Wende. Nach Dirk Nowitzki ist der ehemalige Industriemechaniker und Siebenkämpfer der wichtigste Mann im deutschen Team

HIROSHIMA taz ■ Die Verantwortung wird immer größer. Auch für Demond Greene. Er wolle die Anzahl der eingesetzten Spieler reduzieren – das hat Bundestrainer Dirk Bauermann nach dem 81:63-Erfolg (37:38) über Panama angekündigt. Auf den Guard von Alba Berlin wird er allerdings nicht verzichten können. Denn Greene ist in fast allen relevanten Statistiken hinter Dirk Nowitzki der Zweitbeste: 11,8 Punkte in knapp 30 Minuten Spielzeit – neben Nowitzki ist keiner im deutschen Team so fleißig. Als die bisher noch sieglosen Basketballer aus Panama zur Halbzeit mit einem Punkt führten, war es Greene, der mit fünf Treffern an einem 13:0-Lauf beteiligt war. Und das, obwohl er in den ersten 20 Minuten vier seiner sechs Würfe daneben setzte. Er kämpfte weiter – wie immer. Denn geschenkt bekam er in seinem Leben noch nie etwas.

Greene musste schon immer mit Entbehrungen klarkommen: als Spieler und auch in seiner Zeit als Industriemechaniker-Azubi, als der er 1998 von Aschaffenburg nach Würzburg kam. Nachdem er bei einer Schlägerei einem Jungen den Kiefer gebrochen hatte, blieben abzüglich der Schadenersatzzahlungen, die er abstottern musste, noch 200 Mark monatlich von seinem Lehrlingsgehalt. Um Kosten zu sparen, wohnte er anfänglich in Würzburg bei Dirk Nowitzkis Großmutter. Heute ist er froh, dass er auch weiß, wie es ist, „in einer Fabrik zu buckeln“. Diese Erfahrung trieb ihn an: „Weil du als Nationalspieler gutes Geld verdienst, dir einen Lebensstandard ermöglichen kannst, von dem ein Industriemechaniker nur träumt.“

Im Nationalteam hat Greene neben Nowitzki „das grüne Licht vom Coach: Wenn ich offen bin, soll ich werfen.“ Dass der 27-Jährige schon in seinem zweiten großen Turnier in diese Rolle würde schlüpfen können, war zu Beginn seiner Karriere nicht abzusehen. Als ehemaliger Siebenkämpfer hatte er erst mit 15 Jahren mit dem Basketball angefangen. „Den mussten wir erst einmal auseinanderbiegen – so viel Kraft hatte der“, erinnert sich Holger Geschwindner. Nowitzkis Mentor ist auch für die Entwicklung von Greene verantwortlich, die ihn über Leverkusen in die Hauptstadt zu Alba Berlin führten. „Ein Lob von Dirk oder Holger zu bekommen, ist fast unmöglich“, so Greene. „Zumindest ist es immer mit einem Aber verbunden. Das ist wichtig. Dadurch denkst du immer daran, woran du noch arbeiten musst.“ Zum Beispiel an seinem Wurf.

„Robse (Garrett) und Dirk (Nowitzki) ziehen mich im Sommer immer noch damit auf, dass ich früher außer springen und rennen nichts konnte.“ Sein Schuss war eine Katastrophe. Heute ist er seine Stärke – Nationaltrainer Dirk Bauermann spricht vom „besten Sprungwurf der Nationalmannschaft“. Bei der WM versenkte Greene bisher 57-prozentig – kein deutscher Spieler trifft akkurater. Unter den 400 WM-Teilnehmern sind nur vier Guards, die wie Greene mehr als zehn Punkte im Schnitt erzielen. Doch könnte er die Zeit zurückdrehen, würde er „einiges anders machen“. Vor allem früher mit Basketball beginnen und „als Point Guard spielen – das fehlt mir“. Dazu ist sein Ballhandling zu ungeschickt, sein Blickfeld zu klein: „Ich kann schon mal einen Spielzug ansagen, aber ich bin nicht der Direktor wie Pascal Roller.“

In Aschaffenburg, wo Greene mit seiner Mutter Ulrike groß wurde, war er ein Kindskopf, der Ärger nicht aus dem Weg ging. „Der Erfolg hat ihn ernster gemacht“, sagt seine Mutter Ulrike. „Jetzt ist er ein Mann, kein Junge mehr. Abgehoben ist er aber nie.“ Seinen Mann stehen muss der in Ford Hood (Texas) geborene Greene auch heute im Spiel um Platz zwei der Gruppe B gegen Angola (6.00 Uhr, DSF). „Wir müssen die Anzahl der Fehler verringern“, fordert Nowitzki. Gegen Angola erwartet er „einen harten Kampf“. Und Trainer Bauermann hat beobachtet, „dass wir in der Lage sind, gute Viertel zu spielen“. Doch es fehle die Konstanz. Deshalb wird Bauermann die Rotation verkürzen. „Wir haben erkannt, welche Spieler uns helfen“, sagt er. Demond Greene gehört dazu – Verantwortung zu übernehmen bereitet ihm keine Probleme: „Ich bin früh erwachsen geworden. Ich bin immer selbstbewusst an Sachen rangegangen, das ist auch heute noch so.“ MARTIN FÜNKELE