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Archiv-Artikel

Abschied vom Triebtier

Männer haben keine Lust mehr auf Sex. Schuld sind nicht etwa die Frauen, sondern eine sexuelle Energiekrise

Wie war das doch schön, so früher, als Männer noch Männer waren, die „immer nur das eine“ wollten. Wir Frauen konnten dann mal kühl, mal kokett Nein sagen und uns gleichzeitig dieser ewig strömenden männlichen Triebenergie sicher sein, die frau lenken, manipulieren, von der sie sich tragen lassen konnte. Vorbei!

„Männer haben immer weniger Sex“, meldet Brigitte Balance. Das Blatt ist ein neuer Ableger der gleichnamigen Frauenzeitschrift mit einer Betonung auf Wellnessthemen. Mit Verweis auf den Wissenschaftler Frank Sommer, der einen „Lehrstuhl für Männergesundheit“ an der Universität Hamburg innehat, stellte das Blatt fest: „In deutschen Betten herrscht Flaute“.

Sommer hatte 10.000 junge Männer zwischen 18 und 30 Jahren befragt und kam zu erstaunlichen Schlüssen. Hatten vor 30 Jahren Männer dieser Altersgruppe noch angegeben (harhar, Doppelsinn!), 18- bis 22-mal im Monat Sex zu haben, so erklärten Sommers Versuchspersonen jetzt, nur noch 4- bis 10-mal im Monat mit einer Partnerin zu schlafen.

Die Hauptursache für die „Unlust der Männer“ sieht Sommer dabei im Stress. „Der Alltag ist heute so anstrengend, dass nur wenig so genannte Triebenergie übrig bleibt. Männer haben oft keine Kraft und keine Zeit mehr für Sex“, resümiert Brigitte Balance.

Nun mag man einwenden, dass 4- bis 10-mal im Monat ja gar nicht so wenig … und dass 22-mal im Monat Sex zu haben, wie sich Männer früher gebrüstet haben, doch sowieso gelogen war. Ist der Mann von heute also nur einfach ehrlicher geworden?

Ganz so simpel ist es nicht, wie ein Interview in der Frauenzeitschrift Woman mit dem Paartherapeuten Michael Cöllen vor einigen Wochen belegte. Laut Cöllen betrifft die Lustlosigkeit der Männer inzwischen „fast 20 Prozent“. Sie „greife mehr und mehr um sich“ und sei „eines der schwerwiegendsten Probleme in der Paartherapie“.

Stress, Burn-out, neue Rollenkonstellationen zwischen Männern und Frauen seien die Ursachen. Die gute Nachricht: Die Frauen sollten „auf keinen Fall glauben, es läge an ihnen“, so Cöllen. „In 90 Prozent der Fälle hat die Unlust des Mannes nichts mit der Partnerin zu tun.“

Sie ist also da, die Gleichberechtigung: Auch Männer haben das Recht auf ein Nein. „Im Grunde müssen wir uns damit abfinden, dass wir alle in einer Zeit mit insgesamt etwas geringerer sexueller Energie leben“, wird Sommer zitiert. Der Abschied vom Triebtier Mann ist da!

Doch wo soll sie dann herkommen, die Energie? Was können wir Frauen tun, um vorsichtshalber noch ein paar andere Ressourcen aufzutun, uns mit der richtigen Wärme-Kraft-Kopplung zu versorgen? Wenn alle Kunst des weiblichen Flirtverhaltens so nutzlos ist wie das Bohren nach Wasser in der Sahara? Genau: Wie wäre es mit Risikosport zum Abreagieren? Schnellen Autos? Sauftouren mit Freundinnen? Ab und zu können wir ja auch einen Mann einladen, mitzukommen. Vielleicht schaffen wir es ja, ihn wenigstens damit RUMZUKRIEGEN.

BARBARA DRIBBUSCH