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Archiv-Artikel

Der Nachrichtenübermittler

HANDWERK Heino Fröhlich ist Buchdrucker. Und seit sechs Jahren auch Schriftsetzer. In seinem Laden in Berlin bedruckt er Karten, Kuverts und Bütten mit den Neuigkeiten seiner Kunden an die Welt

Was sollten wir schreiben?

■  Der Wunsch: Dieser Artikel entstand auf Anregung unseres Lesers Werner Schellinger. Er mailte uns: „In meiner Nachbarschaft gibt es seit vielen Jahren die ‚Druckerei Otto Wentzel‘, seit ein paar Jahren geführt von dem Buchdrucker Heino Fröhlich. Vielleicht sind Sie interessiert, einmal über einen solchen Menschen zu berichten, der etwas inzwischen Ausgestorbenes mit Hingabe kultiviert und sehr schöne Sachen herstellt.“

■  Das Porträt: Vergangene Woche haben wir Heino Fröhlich besucht. Den Handwerksbetrieb gibt es seit 42 Jahren, vor 6 Jahren hat Fröhlich ihn gekauft.

■  Der Weg: Was dürfen wir für Sie herausfinden? Wen sollen wir porträtieren oder interviewen? Mailen Sie uns an open@taz.de

VON ANJA MAIER

Heino Fröhlich hat das erst nicht kapiert. Warum bestellt der Mann bei ihm eine Karte, auf der nur ein einziges Datum steht? Egal, dachte er, dann ist das wohl so. Heino Fröhlich nahm seinen Winkelhaken, fischte aus dem Setzkasten die richtigen Lettern, spationierte mit Blindmaterial aus und band den Satz mit der Kolumnenschnur ab. Am Nachmittag druckte er alles mit seiner Heidelberger auf Büttenpapier. Ein Name, ein Datum.

Abends, kurz vor Ladenschluss, kam der Kunde. Er schaute gar nicht groß hin, ob alles ordnungsgemäß gesetzt und gedruckt war. Der Mann nahm die Karten, zahlte und ging, grußlos. Erst später, zu Hause wurde Heino Fröhlich klar, was er da heute gedruckt hatte: eine Todesanzeige, die zugleich auch eine Geburtsanzeige war – ein Name, ein Datum, ein Mädchen, das den Tag nicht überlebt hatte. „So was geht mir nah“, sagt er.

Es ist Heino Fröhlichs Beruf, Privates zu verbreiten. Er ist Drucker in Berlin, im guten alten Westberlin. Hier wird sich noch viel verlobt, es wird getauft, geheiratet, die Leute haben das Geld für gutes Büttenpapier und einen Mann, der im Handsatzverfahren aus vierzig Schriftarten Namen, Daten, Adressen zusammensetzt und sie auf Karten, Briefpapier und dick gefütterte Umschläge druckt. Einer, der sein Geld damit verdient, dass seine Kunden noch mit der Hand Briefe schreiben, Einladungen oder Karten schicken und Visitenkarten verteilen, über die man ganz leicht mit der Fingerkuppe streichen kann, um den wunderbaren alten Prägedruck der Bleilettern zu spüren.

In Fröhlichs Laden steht gleich vorn neben der alten Heidelberger-Druckmaschine sein Tisch für die Kundenberatung, links lehnt der Setzkasten, daneben warten die abgebundenen Bleisätze darauf, in die Druckerpresse gehoben zu werden. Gerade hat er die Hochzeitseinladungen zweier Rechtsanwältinnen fertiggestellt: elfenbeinfarbenes Bütten, rote, schwungvolle Schrift. Das Radio dudelt, an der Wand hängt Fröhlichs Gautschbrief, der ihm, dem Jungen aus Bremerhaven, bescheinigt, dass er am 27. März 1969 zum „Jünger Gutenbergs“, also zum ausgebildeten Drucker ernannt wird. Über vierzig Jahre ist das nun her, vor sechs Jahren hat er sich die alte Druckerei gekauft und zusätzlich zum Druckerberuf den Handsatz gelernt.

Er ist einer der Letzten, die dieses schöne alte Handwerk beherrschen, in Berlin kennt er nur noch einen Handsetzer. Die anderen haben nur noch Computer.

Während er erzählt, geht immer wieder die Tür. Der Fahrradmechaniker bringt Fröhlichs repariertes Rad zurück, eine Kundin holt ihre Visitenkarten ab, ein Freund aus der Gegend schaut vorbei. Sechzig Jahre alt ist Heino Fröhlich jetzt, das Handwerk ernährt ihn gerade so, und noch ist er gesund. Wie lange will er das hier noch machen? „Bis ich neben meiner Maschine umfalle“, antwortet er.