: Kolonie des amerikanischen Independent Kinos
Viele Jahre lang wurde über das Oldenburger Filmfest die Nase gerümpft. Mittlerweile ist die Stadt stolz auf ihr Festival. Über die Jahre hat es sich zu einem europäischen Stützpunkt des amerikanischen Independent Kino entwickelt. Junge US-Filmemacher stellen ihre Filme vor.
Die Stadt ist inzwischen stolz auf ihr Filmfestival. In vielen Oldenburger Läden wurden die Schaufenster umdekoriert, in der Fußgängerzone weht alle paar Schritte noch ein Banner mit dem Emblem des Festivals, und die Leute reden über dieses Event, dem die Stadt ja immerhin den Besuch des Ministerpräsidenten Christian Wulff verdankt.
Das war viele Jahre lang anders: Da wurde eher die Nase gerümpft über diese jungen Wilden, die sich da in einer der niederen Kunstformen austobten und dabei auch noch in der Nacht laute Partys feierten. Durch diesen langen Kampf gegen die Ressentiments der Oldenburger Honoratioren ist der Gründer und Leiter des Festivals, Torsten Neumann, zu einem äußerst geschickten Strategen in Sachen Außendarstellung geworden.
So hat er inzwischen auch die Hochburg der arrivierten Kultur, das Oldenburgische Staatstheater eingenommen. Dort wurde in diesem Jahr zum ersten Mal die feierliche Eröffnungsgala veranstaltet, zu der sich viele geladene Gäste in Abendgarderobe zeigten, und bei der neben Oberbürgermeister Dietmar Schütz auch Ministerpräsident Christian Wulff eine freundliche und durchaus kompetente Begrüßungsrede hielt.
Allerdings haben die Eröffnungsveranstaltungen in Oldenburg so gut wie gar nichts mit dem Rest des Festivals zu tun: Die Schnittmenge zwischen den Besuchern der Gala und denen der normalen Vorführungen dürfte gegen Null tendieren. Auch der bei der Gala gezeigte Film ist kein Festival-, sondern ein Eröffnungsfilm. Denn er wird nicht etwa aufgrund seiner künstlerischen Qualitäten ausgesucht, sondern weil darin Gelder der Filmförderanstalt von Bremen und Norddeutschland, Nordmedia, stecken, die auch das Oldenburger Festival mitfinanziert.
Am Donnerstag begann dann das eigentliche Filmfest. Zum einen in der altgedienten Kulturetage mit ihrer wohl einmaligen Projektion aus dem Hohlraum unter den Sitzreihen heraus, wobei dann manchmal die Füße der Herumgehenden das Bild verdecken. Nach einem Streit zwischen Kinobesitzer und Festivalleitung werden die Filme erstmals nicht mehr in den beiden Programmkinos Casablanca und Wallkino, sondern in vier Sälen des örtlichen Cinemaxx gezeigt. Dadurch verliert das Festival eindeutig an Atmosphäre, aber die Erfahrungen bei anderen Festivals wie in Braunschweig und Emden zeigen, dass dieser Verlust vom Publikum schnell verschmerzt wird, weil es schlicht viel bequemer ist, wenn man statt quer durch die Stadt nur ein paar Meter über den Flur gehen muss, um sich den nächsten Film anzuschauen.
Bei der ersten Vorführung der amerikanischen Komödie „Beer League“ in der zwar ziemlich geschmacklos, dafür aber sehr komisch von den sportlichen Softball-Erfolgen einiger Kneipenbrüder in New Jersey erzählt wird, konnte man dann noch ein weiteres Phänomen dieses Filmfestes erleben: Fast die Hälfte des Publikums besteht aus amerikanischen Gästen. Viele junge unabhängige US-Filmemacher stellen hier persönlich ihre Filme vor. Ein Grund, warum sie so gerne und zahlreich kommen, besteht offensichtlich darin, dass sie hier gegenseitig ihre Filme sehen können.
Außer dem Sundance-Filmfestival gibt es in den USA kaum ein Podium für dieses Kino, und so hat sich das Oldenburger Festival über die Jahre tatsächlich zu einem europäischen Stützpunkt des amerikanischen Independent Kino entwickelt.
Daher ist das Festival-Programm auch in diesem Jahr wieder so spannend, daher lohnt es sich an diesem Wochenende nach Oldenburg zu fahren, wo unter anderem der diesjährige Lieblingsfilm von Torsten Neumann „The Gualtemalan Handshake“ von Todd Rohal zu sehen sein wird. WILFRIED HIPPEN