: Spargel in der Bremer Schweiz?
Bremen will 80 Megawattstunden Energie durch neue Windräder erzeugen. Aber wohin mit den ungeliebten Anlagen? Auch vom Rande der Industriegebiete kommen zahlreiche Proteste
von Klaus Wolschner
Der Tagesordnungspunkt klingt unspektakulär: Es geht um die „2. Stufe der Windkraftausbauplanung“. Am Donnerstag soll die Umweltdeputation sie beschließen. Für die einen ist das, nach jahrelanger Vorarbeit, endlich der Durchbruch. Für die anderen ist der Sündenfall.
Matthias Parusel von der Aktionsgemeinschaft Werderland im betroffenen Lesumtal gehört zu den anderen: „Das ist hier der Bürgerpark von Bremen-Nord“, sagt er, „auch dort wird man nicht zwischen Meierei und Parkhotel 150 Meter hohe Windräder aufstellen.“ Knoops Park ist in der Nähe. „Die geplanten Anlagen werden den Eindruck des Lesumtales dominieren“, sagt Parusel.
50 Meter höher als der Bremer Dom werden die Rotorblätter sich drehen. Parusel ist Molkereiingenieur, arbeitet für die Biomilcherzeugung bundesweit – also beleibe kein Gegner von Windenergie. „Aber so macht sich die Windenergie Feinde“, stellt er bitter fest. Warum muss gerade Bremen auf seiner knappen Fläche so viel Windenergie erzeugen?
Wolfgang Schlosser, CDU-Sprecher im Beirat Lesum, sieht das ähnlich. „Das ist hier doch die Bremer Schweiz“, versucht er den Wert der Landschaft am Grambker Sportpark zu beschreiben. „Aber auf den Protest der Bürger wird keine Rücksicht genommen.“ Mit seinem Bremen-Norder Parteifreund Umweltsenator Ronald-Mike Neumeyer (CDU) hat Schlosser schon gesprochen. Doch der sieht sich an den Koalitionsbeschluss gebunden, Standorte für 80 Megawatt zusätzlicher elektrischer Leistung über Windenergie-Anlagen auszuweisen. Und Alternativ-Standorte, so habe Neumeyer erklärt, gäbe es eben nicht.
In den Unterlagen für die Deputation ist das Problem kaum erkennbar. „Stahlwerke Bremen – Ortsteil Industriehäfen“ ist der umstrittene Standort. Vermutlich vier der 150 Meter hohen Räder sollen dorthin. Wenn Parusel im Januar 2006 nicht die Leute aufgefallen wären, die rund um sein Wohnhaus herum gemessen und fotografiert haben, dann hätte er erst jetzt von den Plänen erfahren. Die Messtrupps verweigerten die Auskunft darüber, für wen sie arbeiteten, Parusel fand schließlich heraus, dass es um eine „Immissionsstudie“ geht. Eben um die Planung für einen kleinen Windpark.
Dabei ist die Diskussion keineswegs neu. Vom ehemaligen Bausenator Jens Eckhoff (CDU) mussten sich die KritikerInnen dieses Standortes die böse Gegenfrage anhören, was sie denn an den Stahlwerken und den Strom-Masten so schön fänden. Das Windenergie-Programm stehe nun mal in der Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU – und der Fachbereichsleiter Umwelt, Edo Lübbing von Gärtner, besteht darauf, dass es umgesetzt wird. „Wenn man nicht mehr in Gewerbegebiete Windräder bauen kann – wo denn dann noch?“, fragte er.
Auch in Seehausen gibt es Proteste, dort soll auf der Baggergutdeponie ein kleiner Windpark entstehen, bei 150 Metern Höhe sind eben immer Anwohner betroffen. Der Beirat Seehausen hat protestiert, der Beirat Neustadt hat sich angeschlossen. Im Beirat Lesum haben SPD, CDU und FDP eine Resolution gegen die neuen Windmühlen beschlossen, nur die Grünen haben den Antrag nicht unterstützt. Die Stadt Achim und der Landkreis Verden haben gegen weitere Windkraftstandorte im Bereich der Mahndorfer Marsch Bedenken mitgeteilt. Der Landkreis Osterholz hat Bedenken wegen der Zerstörung des Landschaftsbildes. Doch die Bremer Koalition will am Donnerstag über diese Bedenken hinweggehen, die erforderliche Änderung des Flächennutzungsplanes soll beschlossen werden.
Denn auf der anderen Seite machen jene bremischen Industrieunternehmen Druck, die die Windräder bauen wollen. Die Einspeisevergütungen sinken, wenn in diesem Jahr nicht Baubeginn ist. Der Umweltsenator hat sich daher Argumentationshilfe von einem geholt, der freimütig bekennt, vor Jahre eher ein Gegner der Windenergie gewesen zu sein: Frank Haller, Leiter des BAW Instituts für regionale Wirtschaftsforschung, hat auf einer Pressekonferenz die regionalwirtschaftliche Bedeutung der Windenergie unterstrichen. Deutschland sei weltweit führend in Sachen Windenergie, die Hälfte der weltweit produzierten Windenergie werde in Deutschland produziert. Und Bremen, sagt Haller, sei „Metropole der Windenergie“ in Deutschland.
Derzeit können 800 Jobs in Bremen der Windenergie-Branche zugerechnet werden, und es gibt große Wachstumspotentiale – besonders im Bereich der Offshore-Anlagen und im Export. Im Binnenland hat sich das rasante Wachstum der Zahl der gebauten Anlagen zwar nicht fortgesetzt – aber die Anlagen werden höher und energieeffizienter. „Repowering“ heißt das Programm für genehmigte Standorte. Für den Standort Strom ist das geplant, sagt Matthias Parusel – und das erhöht in unmittelbarer Nähe einer Großstadt natürlich die Belastung für Landschaftsbild und Anwohner.