: Klinikchef schwer belastet
Sonderermittler schildert haarsträubende Zustände in der Chefetage des Klinikums Bremen-Ost. Grüne fordern den Rücktritt von Senatorin Karin Röpke wegen ihrer Vertrauensseligkeit
Von Klaus Wolschner
Der von Gesundheitssenatorin Karin Röpke eingesetzte Sonderermittler Hans-Jürgen Ziemann hat gestern 250 Seiten Bericht und Dokumentation über die Zustände in der Chefetage des Klinkums Bremen-Ost vorgelegt. Fazit: Es ist alles noch grotesker und schlimmer.
Schon kurz nach seinem Amtsantritt hatte der Klinikchef Andreas Lindner „Beraterverträge“ mit einer Firma S&P-Consult abgeschlossen, die – nach Erkenntnissen des Sonderermittlers – ihm selbst gehört. 867.544 Euro flossen an diese „Berater“, Gegenleistung geringfügig oder schlicht nicht erkennbar. Die dubiose Idee einer Muslim-Blutbank waren 71.920 Euro Beraterhonorar wert, an seine eigene Reha-Klinik in Rastende flossen Hunderttausende. Und schließlich gab es die 1.000 „Multimedia-Schränke“, 4.900 Euro netto das Stück. Die zuständigen Techniker fielen aus allen Wolken, als sie von der Bestellung erfuhren – und widersprachen. Mit sicherem Machtinstinkt und einer Portion Dreistigkeit setzte sich Lindner aber immer durch.
Schon bei seiner Einstellung waren Lücken in der Biografie nicht hinterfragt worden, da fehlten die Hinweise auf Firmen, die in Konkurs gegangen waren. Zum Beispiel seine eigene Leipziger Firma „IMG“. Da gab es auch die Vorstrafe, ein Jahr auf Bewährung wegen Steuerhinterziehung.
Auch nach neun Monaten Lindner-Regiment ist offenbar kein Zweifel an seiner Eignung in den Chefetagen angekommen. Im Gegenteil: Im Dezember hatte Holding-Chef Wolfgang Tissen seinen Freund Lindner als zukünftigen Leiter des großen Klinikums Mitte vorgestellt, im Februar machte die Gesundheitssenatorin Karin Röpke sich diese Idee öffentlich zu eigen.
Intern war zu diesem Zeitpunkt der Streit längst entbrannt. Die Chefärzte hatte Lindner offenbar mit Verhandlungen über Gehaltsverbesserungen gewonnen, aber der ärztliche Geschäftsführer hatte sich schon im Herbst 2005 quer gestellt. Und den Holding-Chef Wolfgang Tissen sowie den Staatsrat Arnold Knigge informiert. Noch im März 2006, das notierte der ärztliche Direktor, erfährt er bei Staatsrat Knigge eine Abfuhr: „Der Staatsrat betont, wie wichtig er Herrn L. für den Umbau der GesundheitNord halte“, heißt es wörtlich.
Und Tissen, der Holding-Chef? Der hat schon vor der Stellenausschreibung zum Staatsrat Knigge gesagt, Lindner sei der Beste und einen Geschäftsführer seiner Wahl müsse man ihm „gönnen“. Tissen hat nicht nur an den Verhandlungen über die Lindner-Klinik Rastede teilgenommen, sondern nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auch persönliche Vorteile aus Lindners Handeln gezogen. Tissen. „Den subventionieren wir doch“, hat Lindner einmal zu dem Ermittler gesagt.
Karoline Linnert (Grüne), die den Klinik-Skandal nach einer Akteneinsicht im Juni öffentlich gemacht hatte, sprach gestern von der „kriminellen Energie von Tissen und Lindner“. Und von einem „Unvermögen“ der Senatorin, die eigenen Gesellschaften zu kontrollieren. Dafür trage sie die politische Verantwortung – die Grünen wollen in der nächsten Sitzung der Bürgerschaft ein Misstrauensvorum einbringen. Die CDU will sich morgen zu den Konsequenzen aus dem Untersuchungsbericht erklären.