Keine Chance für gelebte Erinnerung

Der Kiehlsteg war ein Gedenkort

VON SUSANNE MEMARNIA

Der Kiehlsteg ist abgerissen, na und? Es war doch nur ein kleiner Fußgängersteg, weder schön noch, streng genommen, notwendig. 60 Meter weiter gibt es schließlich die nächste Brücke. Wen kümmert’s also?

So oder ähnlich mögen viele in den letzten Tagen auf die renitenten Neuköllner geblickt haben, die aus einem Lokalereignis ein stadtweit beachtetes Politikum gemacht haben. Doch es gibt gute Gründe, sich über den Abriss aufzuregen. Er ist ein Paradebeispiel dafür, wie Bürgerinteressen in Verwaltungszuständigkeiten untergehen. Zwar informierte der Bezirk die Anwohner im Rahmen einer Bürgerbeteiligung über den Plan. Für deren Einwände erklärte man sich jedoch für nicht zuständig: Die Bürger sollten sich bitte an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wenden.

Dort aber verschanzte man sich hinter dem Kostenargument. Allerdings kann sich niemand, der das winzige Brückchen kennt, vorstellen, wie dessen Sanierung eine Viertelmillion Euro kosten soll. Eher schon ist vorstellbar, dass sich ein Beamter per Federstrich eines Problems entledigt hat: Was weg ist, macht keine Arbeit mehr.

Kosten sparen

Doch damit hat die Verwaltung die Hohlheit der offiziellen Gedenkrhetorik unterstrichen. Die Politik predigt stets, wie wichtig die Erinnerung an die Teilung der Stadt sei. Der Erhalt historischer Orte, wie des Kiehlstegs, ist den Zuständigen keinen Pfifferling wert.

Geschichte wird mit viel Geld inszeniert, wo, wie an der Eastside Gallery, ein touristisch vermarktbares Image gepflegt werden muss. Dass die Berliner inmitten ihrer Geschichte leben wollen – wen kümmert das?

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