: Klage gegen US-Klima-Killer
Kalifornien verlangt von sechs Automobilherstellern Schadenersatz für Folgen des Klimawandels. Umweltverbände unterstützen die Millionenforderung und sehen Fortschritt in Klimadebatte
VON CHRISTIAN HONNENS
Kalifornien verklagt DaimlerChrysler und fünf weitere Autobauer. Der US-Bundesstaat verlangt Kompensation für die Umweltschäden, die die von ihren Fahrzeugen ausgestoßenen Treibhausgase anrichten. Die Folgen des Klimawandels hätten den US-Bundesstaat Millionen Dollar gekostet, sagte der kalifornische Justizminister Bill Lockyer. Die Klage richtet sich gegen General Motors, Ford, Toyota und die US-Ableger von DaimlerChrysler, Honda und Nissan. Deutsche Umweltverbände reagierten erfreut auf die „neuen Impulse für die Klimadebatte“.
Die Klage ist weltweit die erste dieser Art und soll Schadenersatz in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe einbringen. Schließlich kämpfe Kalifornien schon heute mit schwerwiegenden Folgen des Klimawandels wie Wasserproblemen aufgrund schmelzender Gletscher, der Erosion von Küsten und Stränden oder steigender Waldbrandgefahr. Den Anlass für die Klage sehen Beobachter in dem kalifornischen Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2010 um 25 Prozent zu senken. Zusätzlich könnte die Klage eine Antwort auf eine ältere Klage der Automobilindustrie gegen dortige Grenzwerte für den Ausstoß von klimaschädigendem Kohlendioxid bei Autos sein.
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht in der US-Klage positive Impulse. „Es ist ist erfreulich, dass endlich ein Prozess beginnt, der die Beweislast bei Umweltfolgen umkehrt“, sagt VCD-Sprecher Daniel Kluge der taz. Das könne „ein willkommener Rückenwind“ für Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sein, sich stärker für Grenzwerte beim Ausstoß von Klimagasen im Verkehr einzusetzen.
Eine EU-Richtlinie hatte der europäische Verband der Automobilhersteller (ACEA) 1998 mit einer Selbstverpflichtung verhindert. Damals sicherte die Autoindustrie zu, den Kohlendioxidausstoß bis 2008 auf durchschnittlich 140 Gramm pro gefahrenem Kilometer zu verringern. Das entspricht nach Berechnungen der Umweltschutzorganisation Robin Wood in etwa einem Benzinverbrauch von 6,2 Litern pro 100 Kilometern. „Es ist ausgeschlossen, die Verpflichtung mit der bisherigen Entwicklungsgeschwindigkeit und Modellpolitik der Automobilkonzerne zu erreichen“, sagte Kluge. Gabriel müsse sich daher dringend auf gesetzliche Grenzwerte und Sanktionen vorbereiten.
Auch die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch begrüßte „den neuen Realismus, der mit diesem wegweisenden Fall in die Klimadebatte einzieht“. Die Wissenschaft habe deutlich gemacht, dass beispielsweise die Gletscherschmelze im Himalaja die Wasserversorgung von hunderten Millionen Menschen gefährde. „Wer andere Menschen schädigt, muss daher die Schädigung einstellen und kompensieren“, sagte Geschäftsführer Christoph Bals.
Vergleichbare Klagen nach deutschem Recht sind ausgeschlossen. Auch das geplante Umwelthaftungsgesetz ändert daran nichts, obwohl es vorsieht, dass Umweltverschmutzer zukünftig die Kosten für Schäden tragen müssen, die sie verursachen. Hier könnten nur einzelne Autofahrer haftbar gemacht werden – und auch nur, wenn sie schuldhaft gehandelt haben.
Die deutsche Chrysler-Sprecherin Mary-Beth Halprin lehnte jede Stellungnahme ab. Wie Ford und die anderen betroffenen Konzerne verwies sie auf die Stellungnahme des US-Branchenverbandes. Doch der will die Klage prüfen und zitierte eine ähnliche Klage vor einem New Yorker Bundesgericht, die abgewiesen worden sei. Fraglich ist, ob die beiden Fälle vergleichbar sind. Der Leiter der Zentrums für Umweltrecht an der Universität von Kalifornien in Los Angeles bezeichnete die Abweisung als überraschend und sieht für die kalifornische Klage durchaus Erfolgschancen.
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