: Verloren im Finanzloch
DEFIZIT Die Eutiner Festspiele haben am Montag Insolvenz angemeldet. Im Sommer hatte alles nach einer geglückten Rettung ausgesehen. Woher das neuerliche 300.000-Euro-Defizit stammt, ist bisher unklar
Mit den Eutiner Festspiele scheint etwas nicht zu stimmen. Schon lange nicht. Die Worte „Rücktritt“, „hingeworfen“ und „Insolvenz“ tauchten in den letzten Jahren so häufig auf, dass es wirkte, als spielten sich die wirklichen Dramen bei den Festspielen nicht auf, sondern hinter der Bühne ab. Am Montag fand dies einen vorläufigen Höhepunkt: Die gemeinnützige Eutiner Festspiele GmbH meldete Insolvenz beim Amtsgericht Eutin an, wie eine Sprecherin des Amtsgerichts bestätigte.
Der Vorgang erwischt die Beteiligten des Eutiner Festspiel-Betriebs kalt. Die Stimmung am Ende der Saison sei gut gewesen, sagt Sabine Hengesbach, die bis Ende August die Pressearbeit machte und sich nun wie viele andere um ihr Geld betrogen fühlt. Mit einer Auslastung von 72 Prozent schien die Talsohle des Jahres 2009 (Auslastung: 52 Prozent) überwunden, die künstlerische Neuausrichtung unter dem Gesamtleiter Daniel Kühnel schien geglückt, die häufigen Rücktritte von Personen der Leitungsebene schienen verkraftet. Erst wenige Tage vor dem Festkonzert zur Eröffnung am 11. Juni 2010 hatte Geschäftsführer Stephan Jöris seinen Rücktritt bekannt gegeben. Für ihn kam kurzfristig Josef Hussek als Geschäftsführer und schien alles im Griff zu haben – zunächst.
Bei der Saisonabschluss-Abrechnung im August zeigte sich ein Fehlbetrag in der Bilanz, den die Festspiel GmbH nicht alleine würde ausgleichen können. Die Stadt Eutin musste helfen: Nach einer turbulenten Sitzung fiel die Abstimmung mit 17 zu 14 Stimmen dafür aus, das Defizit durch eine Finanzspritze von 281.000 Euro auszugleichen. Eine Insolvenz sei damit abgewendet worden, teilte Gesamtleiter Daniel Kühnel mit.
Am vorigen Freitag musste Geschäftsführer Hussek zusammen mit der Aufsichtsratsvorsitzenden Monika Obieray ein weiteres Defizit in Höhe von 300.000 Euro bekannt geben. Mit diesem zweiten Defizit hatten die Verantwortlichen nicht gerechnet. „Man hat Dinge falsch verbucht“, sagt Geschäftsführer Hussek. Den Lübecker Nachrichten sagte Hussek, der Controller der GmbH habe eingeräumt, Fehler gemacht zu haben. Was genau passiert ist, lässt sich derzeit nicht erhellen: Der Controller liegt nach einem Herzinfarkt im Krankenhaus.
Die Aufsichtratsvorsitzende Obieray sagt, sie habe sich nichts vorzuwerfen, mit ihr sei der gesamte Aufsichtsrat getäuscht worden. Wie die Fehler passieren konnten, ist auch Gesamtleiter Kühnel „ein absolutes Rätsel“. Ob es denkbar wäre, dass sich jemand persönlich bereichert habe? „Dafür sehe ich keine Anzeichen“, sagt Kühnel. „Aber man kann nichts ausschließen.“
Kühnel ist zugleich Aufsichtsratsmitglied der Festspiel GmbH, deren künstlerischer Leiter sowie Intendant der Hamburger Symphoniker, die traditionell bei den Eutiner Festspielen auftreten. 160.000 Euro fehlten den Symphonikern durch die Zahlungsausfälle aus Eutin, sagt Kühnel. „Als Mitglied des Aufsichtsrats werde ich mich der Verantwortung stellen“, sagt Kühnel. „Und ich trete auch als Gläubiger auf. Das ist ein bitteres Ende.“ KLAUS IRLER