: EU-Truppe im Kongo im Visier
Die EU-Truppe „Eufor“ in der Hauptstadt Kinshasa hat immer wieder mit Provokationen seitens des Militärs von Präsident Kabila zu tun. Die Entmilitarisierung der Stadt gelingt nicht, es wird aufgerüstet
VON DOMINIC JOHNSON UND FRANÇOIS MISSER
Die EU-Truppe in der Demokratischen Republik Kongo (Eufor) sorgt sich um die Sicherheit in der Hauptstadt Kinshasa in Vorbereitung auf die Stichwahl für das kongolesische Präsidentenamt am 29. Oktober. Die Eufor-Einsatzzentrale in Potsdam wollte gestern gegenüber der taz Informationen weder bestätigen noch dementieren, wonach das Eufor-Kommando in Kinshasa Luftabwehr angefordert habe, um sich gegen mögliche Angriffe wehren zu können. „Wir kommentieren operative Einzelheiten nicht“, sagte ein Sprecher.
Ein Eufor-Sprecher in Kinshasa dementierte die Anfrage nach Potsdam, bestätigte jedoch, die EU-Truppenbasis auf dem Flughafen Ndolo in der kongolesischen Hauptstadt sei von kongolesischen Kampfjets überflogen worden. Der Vorfall habe sich allerdings bereits im Juni ereignet und sei „nicht aggressiv“ gewesen. Informationen der taz zufolge hat es mehrere solche Überflüge gegeben, die beim französischen Kontingent Ängste vor militärischen Konfrontationen genährt haben.
Am 28. Juli, zwei Tage vor dem ersten Wahlgang im Kongo, war ein unbemanntes belgisches EU-Überwachungsflugzeug über Kinshasa gezielt abgeschossen worden – nach Angaben aus den laufenden belgischen Ermittlungen von einer Stelle nahe Kinshasas Marinebasis am Kongo-Fluss. Am 21. August hatte die EU-Truppe in Kinshasa erstmals in Aktion treten müssen, als es zu schweren Kämpfen zwischen der Präsidialgarde von Staatschef Joseph Kabila und der privaten Garde seines wichtigsten Herausforderers Jean-Pierre Bemba kam. Bemba war Kabila beim ersten Wahlgang landesweit unterlegen, hatte aber in Kinshasa gesiegt. Um Stärke zu beweisen, bombardierte Kabilas Garde Bembas Residenz, während dieser sich dort mit ausländischen Botschaftern traf. EU-Soldaten halfen UN-Blauhelmen, die Diplomaten zu evakuieren.
Das Risiko erneuter Gewalt ist nicht gebannt. „Wenn Kabila wieder auf Bemba losgehen will, muss er es jetzt mit UN- und EU-Truppen aufnehmen“, sagt ein ausländischer Beobachter. „Aber Kabila ist sowohl stark genug als auch dumm genug, einen erneuten Angriff zu versuchen.“
Letzte Woche erklärte die Eufor, es zirkulierten zu viele Waffen in Kinshasa, und am Freitag verlangte der UN-Sicherheitsrat offiziell die Kasernierung der Kabila- und Bemba-Garden in der Stadt und ein Verbot, privat Waffen zu tragen. Daraufhin unterzeichneten Vertreter Kabilas und Bembas am Samstag eine Vereinbarung „für ein waffenfreies Kinshasa“. Doch trotz mehrfacher Rückzugszusagen ist die Präsidialgarde nach wie vor im Straßenbild präsent, und Truppen beider Seiten verlassen ihre Kasernen mit Waffen, entgegen den geltenden Vereinbarungen. „Jede Nacht gibt es Schüsse in den Außenvierteln“, sagt Menschenrechtler Floribert Chebeya. „Aber die UN- und EU-Truppen sind nicht dort, wo die Bevölkerung angegriffen wird.“
Heute soll ein internationales Vermittlerkomitee aus afrikanischen Staatsmännern in Kinshasa eintreffen, um zu einer Entspannung beizutragen. Nach wie vor gelangen Rüstungsmaterial und Soldaten in die kongolesische Hauptstadt. Die UNO versucht seit Ende August, den Verbleib von neu gelieferter Munition zu klären, die eigentlich an Kongos nationale Armee gehen sollte. Zwanzig russische Truppentransporter sowie neun russische T-55-Panzer wurden kurz vor den Wahlen geliefert und sind möglicherweise an die Präsidialgarde gegangen. Mehrere tausend Soldaten aus dem Nachbarland Angola, wichtigster regionaler Verbündeter Kabilas, sollen zusätzlich nach Kinshasa geschickt worden sein.
Kongos Luftwaffe ist offiziell Teil der geeinten nationalen Armee, aber sie besteht ausschließlich aus Kabila-Soldaten und wird von dem als Scharfmacher bekannten General John Numbi kommandiert, der in Kongos Südprovinz Katanga irreguläre Milizen aufgerüstet haben soll. Sie besitzt vier moderne russische Sukhoi-Kampfjets des Typs SU-25, die Kongos Regierung 2003 von Georgien kaufte, dazu vier in Libyen erworbene MiG-23-Kampfflugzeuge in schlechtem Zustand, vier Kampfhubschrauber des Typs MI-24 und zwei Transporthubschrauber des Typs MI-8. Die Hubschrauber stehen direkt neben der EU-Militärbasis auf dem Flughafen Ndolo.