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Archiv-Artikel

„Wir verlieren bei der Integration den Anschluss“

Die Gemeinschaftsschule bis zum Abitur wird kommen, sagt die designierte Linkspartei-Fraktionschefin Carola Bluhm. Die bislang SPD-geführte Bildungsverwaltung habe zu wenig für die Integration von Migranten und sozial Schwachen getan. Kritik am „vorauseilenden Gehorsam“ der Grünen

taz: Frau Bluhm, werden Sie am 17. 10. Fraktionschefin, weil Ihre Partei bei der Abgeordnetenhauswahl abgestürzt ist?

Carola Bluhm: Sie denken wohl, als Strafe für die vermeintliche Männerriege?

Genau: Wirtschaftssenator Harald Wolf, Landeschef Klaus Lederer und Noch-Fraktionschef Stefan Liebich.

Nein. Mit Stefan Liebich habe ich schon im Juli darüber gesprochen, für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren. Lange vor der Wahl.

Will Ihre Partei mit mehr Frauen in der ersten Reihe weibliche Wähler anlocken?

Natürlich wollen wir mit Frauen in Führungspositionen ein Zeichen setzen. Es ist eine Sache, kompetent in der Sacharbeit zu sein. Aber das genügt nicht: Wir müssen den Bürgern dieses weibliche Gesicht der Partei auch zeigen.

Was macht eine Fraktionschefin anders als ein -chef?

Wir müssen besser kommunizieren zwischen Senat und Fraktion. Und die Umsetzung der von uns angeschobenen Reformen muss besser werden. Vorneweg unsere drei Hauptziele: längeres gemeinsames Lernen in der Schule, die Förderung eines öffentlichen Beschäftigungssektors und die Verbleib von Unternehmen der Daseinsvorsorge in Landeshand.

Das alles ist unabhängig von der Frage „Mann oder Frau“?

Natürlich. Außerdem: Die Entscheidungen haben wir im Landesvorstand schon immer gemeinsam getroffen. Da kann und will ich mich nicht drücken.

Warum werden Sie nicht Senatorin? Da bekämen Sie weit mehr Öffentlichkeit. Schon 2001 waren Sie als Sozialsenatorin im Gespräch.

In meinem voraussichtlichen neuen Job – erst muss ich ja noch gewählt werden – bin ich ganz richtig. Mich reizt die Vielfalt der Aufgaben. Und es ist spannend, eine Fraktion zusammenzuhalten. Erst recht, wenn die Koalition nur über eine sehr knappe Mehrheit verfügt.

Sie haben das Konzept zur Gemeinschaftsschule entwickelt. Setzen Sie sich künftig noch mehr dafür ein?

Auf jeden Fall. Wir müssen unseren Vorschlag koppeln mit einem anderen großen Projekt: der Verbesserung der Unterrichtsqualität. Es gibt zu viel Unterrichtsausfall und viele dauerkranke Lehrer. Die Schulreform ist unzureichend umgesetzt worden. Da steht die Bildungsverwaltung in der Pflicht, Dinge besser zu machen.

Wie weit kommen Sie damit? Die SPD hat Angst, Sie könnten einen „Kulturkampf gegen die Gymnasien“ anzetteln.

Wir wollen keinen Kulturkampf, sondern bessere Bildung. Bundesweit kommen nur 37 Prozent der Jugendlichen bis zum Abitur, erfolgreiche Bildungsnationen schaffen 70 bis 80 Prozent. Außerdem besteht die Gefahr, in Sachen Integration von Migranten und sozial Schwachen den Anschluss zu den meisten europäischen Ländern zu verlieren. Da wird einem schwindlig. Uns geht es eben nicht um Auslese. Sondern um Integration, bessere individuelle Förderung und darum, mehr junge Menschen gemeinsam zu einem hohen Bildungsgrad zu führen. Das schaffen wir nicht, wenn wir sie in der sechsten Klasse voneinander trennen. Die Grünen sind im Wahlkampf ja im vorauseilenden Gehorsam vor der SPD eingeknickt. Sie wollen nur noch die Zusammenführung von Haupt- und Realschule. Damit fallen die Grünen sogar hinter die CDU in Hamburg oder Schleswig-Holstein zurück. INTERVIEW: MATTHIAS LOHRE