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Archiv-Artikel

Spurlos im Sand

In seiner zweiteiligen Reportage „Was heißt denn hier deutsch?“ (ZDF, 20.15 Uhr) zeichnet Wolf von Lojewski ein skurriles Bild von Namibia

Von DOMINIC JOHNSON

Wie gut, dass es Schwarze gibt, die die Wüste fegen. Die schwarzen Parkwächter in der entrückend schönen Namib-Wüste, die nach Abreise der weißen Touristen gewissenhaft die Spuren im Sand beseitigen, rücken die Dinge zurecht: Soeben hat ein verwegener Weißer die Sektflasche mit der Machete geöffnet – wie man das im wilden Afrika halt so macht. Namibia ist eben noch sehr deutsch und ordentlich, das will ZDF-Reporter Wolf von Lojewski uns nahebringen. Auch fast ein Jahrhundert nach dem Ende von Deutsch-Südwestafrika, das wie das gesamte deutsche Kolonialreich 1914–18 verloren ging.

20.000 Deutschstämmige leben heute noch unter den etwas über zwei Millionen Namibiern, deren Land erst 1990 von südafrikanischer Besatzung unabhängig wurde. Wenn Lojewski den deutschen Spuren nachgeht, fängt er allerdings nicht bei der Kolonialzeit an, sondern bei schwarzen Kindern, die auf Deutsch „Hänschen klein“ singen. Dann kommen schwarze Namibier, die in der DDR aufwuchsen und nach der deutschen Wiedervereinigung ausgewiesen wurden. Sie haben einen „Ossi-Club“ gegründet und ihre DDR-Sozialisation verinnerlicht – in der Art, wie sie ihre Wäsche ordnen, erzählen sie.

Deutschsein in Namibia ist eben etwas ganz Spezielles und vor allem keine Rassenfrage, findet Lojewski. Kreuz und quer ist er durch Namibia gereist. Er war bei Farmern und Nomaden, bei einem 91-jährigen deutschen Pflanzenheilkundler, bei einem Ovambo-König und bei einer von Hereros betriebenen Astronomiestation. Zebrafänger entgehen dem ZDF-Reporter ebenso wenig wie der multiethnische Karnevalsverein, deren Lied „Und schlägt der Arsch auch Falten / Wir bleiben stets die Alten“ stellvertretend für den „deutschen Stamm“ stehen könnte. Es ist eine beeindruckende Tour, die viel Unbekanntes näherbringt.

Nur normale Menschen in einem normalen Namibia – die sucht man vergebens. Namibia bleibt ein großer Abenteuerpark voller Skurrilitäten, schwarz und weiß. Erst eine Viertelstunde vor Schluss im zweiten Teil (17.10. um 20.15 Uhr) erfährt man überhaupt, dass Namibia eine Regierung hat, wenn nämlich Staatspräsident Pohamba interviewt wird. „Wir haben einen Stamm, der nennt sich Deutschland-Stamm“, sagt er.

Ironische Distanz schimmert da durchaus durch, und auch an vielen anderen Stellen. Ausgesprochen wird sie aber nicht. Dafür wird die Geschichte schöngeredet. Namibia „war Teil eines Traums vom größeren Deutschland“, so Lojewski. Die Deutschen eroberten das Land in einem „Anfall von Panik und Übermut“, und später kamen „die weißen Südafrikaner mit ihrem Fanatismus der Rassentrennung“ – als ob die Deutschen weniger rassistisch gewesen wären. Vom Völkermord an den Herero erfährt man erst im zweiten Teil, eher beiläufig. In Großbritannien oder Frankreich wäre eine so unkritische Analyse der eigenen Kolonialgeschichte zur besten Sendezeit heute undenkbar.

Mangels Kritik greift die Spurensuche gezielt daneben. Keiner der vielen interviewten Deutschen wird in den eigenen vier Wänden gefilmt – die Ungleichheit der Lebensverhältnisse zwischen Schwarz und Weiß bleibt ausgespart. Von Rassismus wird nie gesprochen, von der wirtschaftlichen Dominanz der Weißen auch nicht. Namibia ist bloß „eine Weite und Einsamkeit, in der wir nur Staub aufwirbeln, unsere Spuren aber verwehen“.

Hätte Lojewski diese Spuren woanders gesucht als im Folklorischen, hätte er sie gefunden. Aber dann wäre dieser Film nicht so sehenswert, wie er es aufgrund seiner schräg-ironischen Bildaufbereitung doch noch ist.