: Ein neuer Zauberlehrling
Er nuschelt und dirigiert mit dem Zeigefinger. Der Rapper Jan Delay spielte im Düsseldorfer Zakk
Jan Delay ist auf der Suche. Das ist vielleicht das Schicksal eines großen Künstlers. Sich wehren müssen gegen den Stillstand, nach Neuem Ausschau halten, sich weiterentwickeln. Der Hamburger Rapper probiert sich derzeit aus. Als eine Art Musik-Gott. Zunächst erfindet er den Reggae neu, doch der ist nach Delays Aussage leider schon tot. Also hat er sich eine Funk-Band erschaffen.
Wie aus der Retorte stehen da im Düsseldorfer Zakk neun Geschöpfe unschuldig unterwürfig in feinstem Zwirn neben ihrem Herrn und Meister und erwartet seine Befehle. Jan Delay ist der Musik-Zauberlehrling. Mit zugekniffenen Augen tänzelt (oder torkelt?) er zwischen den Blech-Bläsern und drei singenden Sirenen hin und her und dirigiert mit erhobenen Zeigefinger. Dabei erinnert er rein optisch an den verkaterten Till Schweiger, aber hat die Band voll im Griff. Die Musiker sind Puppen in Jannis Musik-Welt, wie an unsichtbaren Fäden lässt er sie herumtanzen, als die Werkzeuge des Experimenteurs.
Janni ist der Geilste. Ja, das darf er auch sein, denn er gibt sich Mühe, er meint es ernst. Er verbrennt sich auf der Bühne. Ein Feuerwerk der Lyrik, vieles durchaus tiefgründig und bisweilen schwer gesellschaftskritisch. Schade nur, dass der Delay-Gott so nuschelt. Ist aber nicht so wichtig, die Energien fließen in einem undurchdringbarem Sing-Sang bestens aus ihm heraus. Der Funk kann was, aber die wahren Stärken werden deutlich, wenn sich Delay zwischendurch an das erinnert, womit er einst in Hamburg Eimsbüttel anfing: das Rappen. Dann hat es fast den Anschein, als sehne er sich nach der guten alten Zeit. Nach dem Anfang, als er noch als unbekannter Underground-MC Eißfeldt mit den Beginnern in kleinen verkifften Szene-Clubs sein Feuer lodern ließ.
Doch die Zeiten sind vorbei, Delay ist inzwischen dreißig Jahre alt und Baggy-Pants und verwaschenen Kapuzen-Pullis sind für den Nachwuchs gut. Aber ganz ohne den geliebten Rap kann er dann auch nicht. Halb B-Boy, halb Boheme. Am Ende der Show ist sein schwarzes Anzughemd nass wie ein Putzfeutel. Er ist noch lange nicht am Ende, das Feuer wird weiterbrennen. Aber einen adäquaten Ersatz für den Rap hat Janni noch nicht gefunden. Ist klar, ein „Delay“ ist ein Verzögerungseffekt, er erzielt am Effektgerät einen echoähnlichen Klang.
Janni wird also weitersuchen müssen, bis er bei sich selbst ankommen kann. Aber bitte noch nicht sofort. Es bleiben noch unzählige Musikstile zur Auswahl. Was mag als nächstes kommen, Heavy Metal oder Country? Der Zauberlehrling wird sich neue Geister rufen. Man darf gespannt bleiben. SIMON KARSTEN