: Hirche kocht Transrapid-Unglück klein
Nach dem Unfall auf der Teststrecke im Emsland erklärt der Wirtschaftsminister den Zug weiter für eine „zukunftsweisende Technik“. Die Betreiber sollen Sicherheit verbessern, aber niemand habe geschlampt
Landtagswahlen, Bundeswehreinsatz, Gesundheitsreform, Papstbesuch, Gammelfleisch – auf der Liste der Top-Themen in den Fernsehnachrichten folgt das Transrapid-Unglück auf der Teststrecke im Emsland auf Platz sechs. Dafür, dass der Tod von 23 Verunglückten weiter im öffentlichen Bewusstsein an Stellenwert verliert, versuchte gestern Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) mit einer paradoxen Botschaft zu sorgen: Beim Sicherheitssystem der Teststrecke seien zwar keine Fehler gemacht worden, trotzdem müsse es verbessert werden.
Er halte „den Transrapid nach wie vor für eine zukunftsweisende Technik“, antwortete Hirche im Landtag auf eine Anfrage der Grünen. Bevor das neue Transrapid-Modell im Frühjahr auf der Teststrecke zugelassen werde, solle die Betreibergesellschaft IABG aber „Vorschläge zu machen, wie die Sicherheit verbessert werden kann“.
Auch die Münchner Transrapid-Planungen sollten nach dem Unglück im Emsland weiter laufen, betonte der Minister. „Wir werden im engsten Kontakt mit den bayerischen Kollegen die künftigen Regeln ausgestalten“, sagte Hirche. Die 40 Kilometer lange Strecke zwischen Münchner City und Flughafen soll 1,85 Milliarden Euro kosten. Sie gilt als letzte Chance für den Superzug in Deutschland.
Die Grünen hatten geargwöhnt, die Hirche unterstellte Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr habe bei der Genehmigung des Transrapids geschlampt. Die Anlage habe nicht den „höchst möglichen Sicherheitsstandard“ erfüllt, kritisierte der Verkehrsexperte Enno Hagenah. Er fragte, wie es sein könne, dass der hoch moderne Transrapid nicht über ein automatisches Sicherheitssystem verfüge, „in dem alle Bausteine – auch der Werkstattwagen – integriert sind“. Der Transrapid war mit 170 Stundenkilometern auf einen auf der Strecke abgestellten Werkstattwagen gerast.
Hirche sagte, nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft habe menschliches Versagen das Unglück verursacht. Außerdem liege selbst bei Hochgeschwindigkeitszügen der Bahn „die Letztverantwortung beim Menschen“. Sogar die Experten des TÜV, die die Grünen ins Feld geführt hatten, hätten das Sicherheitskonzept der Anlage nicht kritisiert.
Im Übrigen habe es keine Vorschrift gegeben, nach der der Werkstattwagen ins automatische Sicherheitskonzept hätte einbezogen werden müssen. Hirche: „Auch für die Anwendungsstrecke in München mit intensivem Personenverkehr sehen die bisherigen Planungen vor, dass ein Betrieb der Instandhaltungsfahrzeuge in genau derselben Weise wie bei der Versuchsstrecke erfolgen darf.“ Ob das geändert werden sollte, ließ Hirche offen. KAI SCHÖNEBERG
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