Amputierte Adaption

Deckel drauf: Die Kaffeekette Starbucks überschäumt den deutschen Markt mit einem kulturellen Re-Import

Amerikanische Filialen der Kaffeekette Starbucks erwecken den unschönen Eindruck, dass Amerika mitten im Krieg steht – nicht gegen den Terror, sondern gegen eine Macht, deren Luftwaffe Bomben über Washington, D. C., Seattle oder Omaha abzuwerfen droht. Jäh beendet wäre die schöne Kaffeepause, rausgeschmissen das schöne Geld für den Grande Latte mit Sojamilch und Sirup – wenn die smarten Amerikaner nicht mal wieder an alles gedacht hätten. Sie trinken den Kaffee einfach aus Pappbechern, mit denen sie im Notfall auch in den Luftschutzkeller flüchten könnten. Oder ins nächste Meeting.

Dass in amerikanischen Starbucks-Filialen Tassen nur noch als Souvenir erhältlich sind und nicht mehr als Trinkgefäß für Gäste, die ihren Kaffee gern im Sitzen trinken, belegt, dass die Amerikaner die europäische Kaffeehauskultur zwar importiert, aber nicht verstanden haben. Ihre Adaption gleicht einer Amputation. Mal abgesehen davon, dass Kaffee aus Tassen einfach besser schmeckt, bringen sich die Amerikaner damit freiwillig um den Mehrwert eines Cafébesuchs: sitzen, gucken, lesen, träumen – in der Öffentlichkeit ganz bei sich sein und doch nicht allein. Wer nur Kaffee will, kocht ihn sich besser zu Hause.

Marktführer Starbucks, der gerade erklärt hat, die Zahl seiner Filialen verdreifachen zu wollen, knöpft seiner „To go“-Kundschaft trotzdem den gleichen stolzen Preis ab wie Gästen, die sich nach der Bestellung am Tresen in einen der Starbucks-Kitschsessel fläzen.

Wer sich nicht auf Experimente einlassen will, isst bei McDonald’s. Oder trinkt bei Starbucks. Deswegen sind diese Ketten in touristischen Zentren besonders stark vertreten – doch warum auch die Einheimischen hingehen, die günstigere und/oder bessere Alternativen kennen, bleibt rätselhaft. Zugegeben: Der Starbucks-Kaffee schmeckt besser als der aus dem Automaten, aber mit einem liebevoll zubereiteten und am Platz servierten (!) Cappuccino im Café um die Ecke kann er doch nicht mithalten.

Dass ausgerechnet ein verschlimmbesserter kultureller Reimport wie Starbucks diese kleinen Cafés zunehmend verdrängt, ist doppelt traurig: Rund um die Berliner Friedrichstraße, wo Starbucks demnächst seine dritte Filiale eröffnen wird, gibt es schon jetzt kaum noch ein Café, das keiner Kette angehört. Eins dieser wenigen betreibt übrigens die taz. DENK