: König Alfons’ Optimismus
Wolfgang Jüttner besitzt Schnautz, Charme und Schelmenlachen wie König Alfons der Viertelvorzwölfte aus der Augsburger Puppenkiste. Allerdings lässt sich der SPD-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag nicht gern auf seine frappierende Ähnlichkeit mit dem Herrscher Lummerlands hinweisen: Die Zeit hatte den Insel-Despoten einst als „absolutistischen Narren“ und „grandiosen Tragödianten“ bezeichnet. Eine politische Tragödie könnte dem 58-jährigen Pädagogen und Soziologen im Frühjahr 2008 widerfahren. Dann soll Jüttner als Spitzenkandidat der SPD bei der Landtagswahl gegen Regierungschef Christian Wulff (CDU) antreten.
Glaubt man den Demoskopen, wird Jüttner verlieren: Laut der aktuellsten Umfrage könnte die derzeit regierende schwarz-gelbe Koalition nach einer Landtagswahl weiter machen; danach käme dieCDU auf 40, die SPD nur auf 36 Prozent der Stimmen. Dennoch ist Jüttner, der am vergangenen Freitag einstimmig vom SPD-Landesvorstand zum Herausforderer Wulffs gekürt wurde, Berufsoptimist. „Wir spielen nicht auf Platz, sondern auf Sieg“, sagte Jüttner gestern. Der Makel, die ewige Nummer zwei zu sein, haftet dem einstigen Landes-Umweltminister bereits an: Im Herbst 1977 verzichtete Jüttner zugunsten Gerhard Schröders auf die Wahl zum Bundesvorsitzenden der Jusos, 1999 unterlag er gegen Sigmar Gabriel im Streit um die Nachfolge von Ministerpräsident Gerhard Glogowski, 2003 wurde nicht Jüttner, sondern Gabriel Fraktionschef der Landtags-SPD. Nicht wenige in den eigenen Reihen sagen Jüttner heute „Beißhemmungen“ gegenüber dem politischen Gegner nach. Stimmt: Die Debatten im Landtag sind nicht spritziger geworden, seit Gabriel weg ist. Im Hintergrund wartet bereits der Kronprinz, Landesparteichef Garrelt Duin, 38 und vielleicht bald Schatten-Wirtschaftsminister. „Ist Jüttner nur ein Übergangs-Kandidat?“, fragen sich viele in Hannoveraner. Dass kein anderer will, liegt an Ministerpräsident Wulff, der bei Umfragen über Deutschlands beliebteste Politiker stets Spitzenplätze ergattert. Jüttner ist nicht nur ziemlich unbekannt, bei einer Direktwahl würden sich auch nur 21 Prozent der Wähler für ihn entscheiden, aber 66 für den Schwiegermutter-Typen Wulff. Klar ist, dass Jüttner mit einem linken Profil auf Stimmenfang gehen will. „Niedersachsen gerecht“ lautet einer der SPD-Slogans zur Landtagswahl. Hauptthema der Wahl dürfte die Bildungspolitik werden: Jüttner setzt auf Ganztagsschulen, beitragsfreie Kindergärten und mehr Millionen für die Hochschulen. Wie er den „vorsorgenden Sozialstaat“ mit der von Parteichef Kurt Beck propagierten stärkeren Hinwendung zu den „Leistungsträgern“ in Einklang bringen will, muss Jüttner noch zeigen. Ihm verdankt Beck übrigens indirekt den Posten: Mit seinem Votum für Andrea Nahles als SPD-Generalin trug Jüttner voriges Jahr dazu bei, dass Franz Müntefering vom „schönsten Amt der Welt nach dem Papst“ zurücktrat. Kai Schöneberg