AFGHANISTAN: DIE EINWÄNDE GEGEN DEN KSK-EINSATZ SIND BERECHTIGT : Unvereinbar mit der Demokratie
Vielleicht lügt der ehemalige Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz. Vielleicht ist er niemals von deutschen Soldaten misshandelt worden. Falls sich das herausstellen sollte: Gäbe es dann keinen Grund mehr, das Ende der Kampfeinsätze von deutschen Elitesoldaten in Afghanistan zu fordern? Dienstvergehen und Straftaten müssen geahndet werden. Aber das grundsätzliche Problem liegt nicht in der Frage, ob sie tatsächlich stattgefunden haben – sondern darin, ob sie durch äußere Umstände begünstigt werden. Das ist bei den Kampfeinsätzen der Fall.
Es ist seltsam, wenn die Parteivorsitzende der Grünen jetzt erklärt, sie hätte als Abgeordnete keinem Einsatz des Kommandos Spezialkräfte (KSK) zugestimmt, wenn sie geahnt hätte, dass dieser sich so verselbstständigen könnte. Tatsächlich? Auf welcher einsamen Insel hat Claudia Roth denn in den letzten Jahren gelebt? Offenbar hatte sie dort keine Möglichkeit, mal eine Zeitung aufzuschlagen, Radio zu hören oder mit Parlamentskollegen zu plaudern. Sonst hätte es ihr kaum entgangen sein können, dass die Aktivitäten des KSK der parlamentarischen Kontrolle fast vollständig entzogen sind.
Grundlage für die Beteiligung der Bundeswehr an den US-geführten Militäroperationen „Enduring Freedom“ ist ein seit 2001 alljährlich vom Bundestag neu abgesegneter Vorratsbeschluss, der es erlaubt, Soldaten fast überall auf der Welt einzusetzen, ohne dass Parlament und Öffentlichkeit darüber je Einzelheiten erfahren. Völkerrechtler, Friedensforscher und auch etliche Abgeordnete der damaligen rot-grünen Koalition haben das Mandat seinerzeit für unvereinbar mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und transparenter Außenpolitik erklärt. Bundeskanzler Gerhard Schröder ist es gelungen, den Widerstand in den eigenen Reihen zu brechen. Aber Kritik wird nicht dadurch widerlegt, dass man Kritiker zum Schweigen bringt.
Die Einwände gegen das Mandat für „Enduring Freedom“ haben sich als berechtigt erwiesen – und zwar unabhängig davon, ob Murat Kurnaz tatsächlich misshandelt wurde oder nicht. Die Tatsache, dass sich das möglicherweise niemals wird klären lassen, ist der beste Beweis dafür. BETTINA GAUS