: Maler der gepflegten Langeweile
Die Sammler in Europa scheinen die Bilder ihrer eigenen Lebensentwürfe für großartige Kunst zu halten. Sie verliehen gern die farbigen Riesenleinwände des Malers Alex Katz in die Raketenstation von Hombroich. Dort stehen jetzt die Kulissen einer verwöhnten Upper Class, die sich am liebsten selber feiert
VON KATJA BEHRENS
Wie Tapisserien hängen die großen Bilder des US-amerikanischen Malers Alex Katz vor der Wand: eine kühl-plakative Dekoration in den Räumen der Langen Foundation und eine seltsame Konkurrenz zu den warmen Sichtbetonwänden des Museumsgebäudes vom japanischen Architekten Tadao Ando. Für kurze Zeit sind die bunten Bilder aus den Lofts und Stiftungen der privaten Sammler Europas nach Neuss gekommen. Bevor sie wieder zurückkehren, werden sie noch im Scheringa Museum of Realist Art im holländischen Spanbroek gezeigt. Wird hier ein Geheimtipp in der Provinz herumgereicht? Sicher nicht, denn schon 2002 hatte Katz eine Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn und seither in vielen großen Museen Europas.
Alex Katz, geboren 1927 in Brooklyn, malt seit mehr als vierzig Jahren nahezu die gleichen figürlichen Bilder: Junge, gut angezogene, schöne Menschen kleben scherenschnittartig vor einem flachen Raum oder einer monochromen Fläche. In den früheren Bildern sind es oft kleine Gruppen wie die sechs jungen Frauen auf dem Bild „February 5:30 pm“ von 1972 oder die acht Tänzer in „Paul Taylor Dance Company“ von 1963-64. Später sind es eher Einzelporträts, dann auch einige Landschaften, Bäume im Mondschein und nächtliche Stadtsilhouetten. In den Kreisen der Avantgardekünstler ist Katz seit den 1950er Jahren ein Außenseiter, ein Snob, dessen eigensinniges Beharren überall und immer wieder euphemistisch als „bemerkenswerte Kontinuität“ und „Konstanz“ beschrieben wird.
Doch interessanterweise sind selbst die Katalogtexte zu seinen Arbeiten, deren Aufgabe es eigentlich ist, dem Leser und Ausstellungsbesucher die Kunst nahe zubringen und einzuordnen, selbst von einer merkwürdig verhaltenen Distanz. Nur reservierte Begeisterung – so wie die Kunst, die sie besprechen in ihrer coolen Eleganz jegliche Emphase vermissen lässt. Das Bild „Peter and Linda“ (1966) etwa, ein gewagt nahsichtiger Ausschnitt zweier Gesichter, behauptet intime Nähe und ist doch nur kühle Observation, ebenso wie das enge Doppelporträt „Scott and John“ (1966), das ein wenig an amerikanische Illustrationen von Gay-Literatur erinnert.
Katz, der sich selbst nie als Pop Art-Künstler verstanden wissen wollte, bedient und verklärt mit seinen flachen Bildern keine banalen Alltagsgegenstände der amerikanischen Kultur, sondern eher die stereotypen Sehnsüchte einer ewig hungrigen Ostküsten-High Society mit Blick auf Europa. Wäre das Unbehagen angesichts der „Virtuosität, Ökonomie und Distanziertheit“, die der Maler zum Stil eingefroren hat, nicht verbunden mit einer merkwürdig kalten Faszination an den glatten Farbflächen, könnten die Bilder abgetan werden als bloße Spiegelungen einer oberflächlichen Gesellschaft, ihrer leeren Vergnügungen und banalen Konversationen.
Die große Frage bleibt, ob ein Künstler, der jahrzehntelang im gleichen Stil die immergleichen Szenen malt, tatsächlich sein gesamtes Werk noch als kritische Stellungnahme zu den Lebensumständen und Träumen der sozial Privilegierten verstehen kann. Oder ob er seine Malerei als einen ironischen Kommentar zu einer expressiv aufgeheizten bzw. einer konzeptuell verhüllten Kunst begreift? Und ob die Käufer und Sammler seiner Bilder es mit ihm können?
Nicht nur europäische und amerikanische figurativ malende Künstler, auch Jackson Pollocks unhierarchische Kompositionen und Barnett Newmans Riesenformate haben, so der im Katalog auffallend oft abgebildete Künstler im Interview mit seinem Sohn, Eindruck auf den jungen Katz gemacht. Sein kunsthistorischer Blick nach Europa, zu Degas, Seurat und zu Rousseau etwa, scheint besonders die europäischen Sammler anzulocken. Doch obschon vielleicht die Idee, ein gemaltes Porträt in extremem Anschnitt vor einem flachen farbigen Grund zu platzieren, irgendwie ganz gut ist, fällt es schwer, in den Bildern Alex Katz‘ mehr zu sehen als eine benutzerfreundliche Oberfläche für Auge und Geist.
Bis 28. Januar 2007Langen Foundation, Raketenstation Hombroich, NeussInfos: 02182-57010