: Außerirdische auf dem Kontoauszug
THEATER 2 Die Inszenierung „Money – It Came from outer Space“ im HAU 3 will wissen, was Marsmenschen und Geld verbindet
Es hat das Zeug zur Pole Position auf der Liste der Lieblingsverschwörungstheorien: Money is an alien! Geld kommt nämlich, genau wie der Außerirdische des B-Movie-Genrekinos der 50er und 60er, aus dem Nichts, ist gestaltlos, durchdringt alles und vermehrt sich unkontrolliert, bis die Menschen seiner habhaft werden und versuchen, es zu besiegen. So wie der junge Steve McQueen die stetig wachsende, tödliche außerirdische Kaugummimasse bekämpft, im hübschen Trash-SciFi-Film „The Blob“ von 1958.
Für ihr Theaterstück „Money – It came from outer space“, das am Samstag im HAU 3 Premiere feierte, haben der Videokünstler und Regisseur Chris Kondek und die Dramaturgin und Theatermacherin Christiane Kühl Ausschnitte aus passenden Filmen gesucht und gefunden und sie gegen Bilder von schreienden Börsenmaklern geschnitten. Sie haben wunderbare kleine Clips gedreht, in denen Wissenschaftlerhände zu dräuender Science-Fiction-Filmmusik eine große verpuppte Insektenlarve untersuchen und mit einer Pinzette vorsichtig einen klebrigen Geldschein aus dem Inneren hervorzuppeln. Oder gallertartige Auswüchse an einem Menschenkörper aufschneiden, um in irgendwelchen Hauttaschen ebenfalls auf Penunzen zu stoßen: Das Geld from outer space hat sich den gleichen Weg gesucht, den Ridley Scotts Alien, die Bodysnatchers aus dem gleichnamigen Film oder das blutdürstige „The thing from another world“ eingeschlagen haben. Es invadiert die Menschheit. Und zwar nicht erst seit gestern.
Dass das Stück seinen Schwerpunkt gleichermaßen auf das vortragsähnliche, pseudowissenschaftliche wie auf ein Happening-Element setzt, ist konsequent: Ironie oder gar eine verstiegene Theatralik wären angesichts der ohnehin schon unglaublich künstlichen Originalfilme fehl am Platze. Ernst liest Kühl die Theorien zur Geldvermehrung, zitiert Aristoteles mit der Aussage, Zins, also aus sich selbst geborenes Geld, sei widernatürlich, redet über die steigende Abstraktheit von Kapital und darüber, dass nur noch drei Prozent des gesamtem Geldes körperlich anwesend sei, der Rest stehe als Zahlen in Computern.
Kondek ist dagegen der aufgeregt umherwirbelnde Vortragende, der sich auch immer wieder selbst in die kleine, mit Schreibtisch, Leinwand und Modellgarten an einen universitären Versuchsaufbau erinnernde Bühne hineinknüpft: Mal legt er seinen Arm vor eine HD-Cam im Modellgarten und lässt sich scheinbar einen EC-Chip implantieren, mal schneiden ihm die beiden mit „Das Dorf der Verdammten“-Perücken ausstaffierten Helfershelfer den Bauch auf und reißen kunstblutspritzend ein Banknoten-Alien heraus.
Die Krisen dieser Welt, als aktuellstes Beispiel die Börsenkrise von 2008, werden in Einspielvideos von Wissenschaftlern und Wirtschaftsprofessoren kommentiert und in ihrer Absurdität eingeschätzt: Es werden immer wieder neue Schuldner gebraucht, um den Kreislauf weiterzudrehen, erklärt einer. Auf kleinen Diaprojektionsleinwänden in „Die Fliege“- und „Das Ding aus einer anderen Welt“-Umrissen erscheinen derweil Fakten über Mammon und seine Verbreitung.
Kredite sind Luftgebilde, Börsencrashs Gespinste
Bei allem Ulk und aller Kunst hat das Stück einen Haufen Wissen geladen, den man gern mal wieder mitnimmt. Einfach nur, um sich der Bedeutung von Geld auf ein Neues bewusst zu werden. Und die dumpfe Ahnung untermauert zu sehen, dass Kredite fragwürdige Luftgebilde und Börsencrashs irre, auf Gedanken gebaute Fantasiegespinste sind.
Wenn der Mehrwert dieses Stückes, das erratisch und dementsprechend unterhaltsam die Parallelen zwischen Geld und dem „Fremden“, dem Alien auslotet, sich im Prinzip auch in jenem Satz, der schon im Titel steht, erschöpft: Man fühlt sich beschwingt und bestätigt, wenn man nach dem kurzen Theatervergnügen das Bier zahlen will. Man hatte es ja immer schon geahnt. Die bösen Außerirdischen sind mitten unter uns. Sie lauern als Klimpergeld im Münzbeutel. Oder stehen in Rot und mit Minuszeichen davor auf dem Kontoauszug. JENNI ZYLKA
■ Nächste Aufführungen: 15. und 16. November, jeweils 20 Uhr, HAU 3, Tempelhofer Ufer 10