: Wenn alles anders wird
Der Schauspieler Rudolf Höhn ist an Parkinson erkrankt, seinen Beruf aber gab er nicht auf. Wie er sein Leben meistert, zeigt die Bremer Filmemacherin Beatrix Schwehm in ihrem Dokumentarfilm „Vom Schaukeln der Dinge“
„Die Welt ist nichts als ein ewiges Schaukeln, alle Dinge schaukeln ohne Unterlass, …“ so beschrieb einst Michel de Montaigne die Bedingungen, unter denen wir existieren. Jeder von uns kann etwa plötzlich so krank werden, dass sein gesamter bisheriger Lebensentwurf hinfällig wird. Wie besteht ein Mensch solch eine Krise? Diese Frage steht im Zentrum dieser Dokumentation der Bremer Filmemacherin Beatrix Schwehm, die einen Sommer lang Rudolf Höhn mit der Kamera begleitete. Der Film läuft ab morgen unter anderem in Bremen, Hannover, Lübeck und Hamburg (siehe kinotaz).
Höhn war in den 90er Jahren ein erfolgreicher Schauspieler, Kabarettist und Autor. In Bremen gehörte er eine Zeit lang zum Ensemble der Shakespeare Company, danach war er Mitglied der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. 1997 wurde bei ihm Parkinson diagnostiziert. Sechs Jahre nach dem Ausbruch der Krankheit wurde dann dieses Filmportrait gedreht. Der Kameramann Bernd Meier fotografiert den schleichenden Fortgang der Krankheit so, dass ihre Symptome zwar gezeigt, aber nie ausgestellt werden. Dadurch kommt er Höhn sehr nah, aber nie zu nahe.
Dennoch ist dies keine deprimierende Krankengeschichte, denn Höhn hat erstaunlich kreativ und mit bewundernswerter Energie die Herausforderung dieses Schicksalsschlages angenommen. Inzwischen ist er wieder zurück zur Bremer Shakespeare Company gekommen, wo zum Teil Rollen extra für ihn geschrieben wurden. Zudem gründete er dort „Pschyrembel“, eine Theatergruppe für behinderte Menschen. Er schreibt Theaterstücke sowie Kabaretttexte und ist der Pressesprecher des Bremer Rugbyvereins.
Man sieht, wie der am Spielrand stehende Höhn auf die kraftstrotzenden jungen Körper der sich raufenden Rugbyspieler blickt. Der Film ist gefüllt mit solchen pointierten Momenten, die Höhn mit dem geborenen Instinkt eines guten Schauspielers durchaus auch selbst inszeniert.
Wenn nötig, überschreitet der Film auch die Grenzen zwischen Dokumentation und Fiktion. So wurde etwa der literarische Text „Der Turmspringer“ von Höhn, in dem er von einem Jungen erzählt, der von seinem Vater zu einer für ihn unmöglich zu bewältigenden Mutprobe gedrängt wird, als Kurzfilm im Film mit wie verschwommenen wirkenden Bildern adaptiert. Der Film erzählt von der Krankheit, vom Theater, von der Literatur und vom Rugby – eigentlich müsste er heillos überladen sein, aber er wirkt wie aus einem Guss, weil Schwehm bei der Montage einer emotionalen Logik folgt und so die vielen Facetten von Höhn erstaunlich unangestrengt unter einen Hut bekommt. Dabei ist er oft sehr berührend, aber nie sentimental.
Vor zwei Jahren wurde eine kürzer Version der Dokumentation unter dem Titel „Dritte Halbzeit“ auf Arte gesendet. Die Kinofassung wirkt nun noch organischer, vor allem ist sie aber eindeutig komischer. Denn ein ganzer Erzählstrang fiel bei der ersten Fassung der Schnittschere zum Opfer. Erst jetzt kann man erleben, wie Höhn in einem ganz speziellen, von ihm selbst entwickelten Metier glänzt. Als „Predigt-Coach“ trainiert er da zwei Pastoren, die offensichtlich mimische und dramaturgische Unterweisungen sehr nötig haben, und auf eine rührende Art und Weise lernen, wie etwa ein Segen besser beim Publikum wirken kann. Wilfried Hippen