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Archiv-Artikel

„Der Druck der Kirche“

HOMOSEXUELLE Liberale Hansestadt? Die Hamburger Historie bietet viele Beispiele für Diskriminierung

Von KLI
Rita Bake

■ 62, ist bei der Landeszentrale für politische Bildung unter anderem für Veranstaltungen zuständig.  Foto: Swen Völkers

taz: Frau Bake, historische Fälle von Diskriminierung homosexueller Menschen sind nicht einfach zu recherchieren, weil sie meist nicht öffentlich wurden. Wie haben Sie die historischen Diskriminierungsfälle Ihres Stadtrundganges recherchiert?

Rita Bake: Meine Quellen waren die Forscher Ulf Bollmann, Gottfied Lorenz und Bernhard Rosenkranz. Die sind jahrelang tief ins Archiv gegangen, um die Homosexuellenverfolgung in Hamburg zu erforschen. Daraus habe ich elf Szenen konzipiert, die bei einem Rundgang durch die Innenstadt von Schauspielern dargebracht werden.

Als Hafenstadt pflegt Hamburg das Image, weltoffen und liberal zu sein. Wie steht Hamburg historisch da in seinem Umgang mit Homosexuellen?

Schlecht, wie alle anderen Städte auch. Bei der Diskriminierung von Homosexuellen können wir in die Anfänge des Christentums gehen. Auf dem Rundgang geht es unter anderem um den homosexuellen evangelischen Pastor Klaus Tuchel. Der hat sein Amt 1958 niedergelegt, weil er mit dem Druck der Kirche nicht zurecht kam. Wir wollen mit dem Rundgang deutlich machen, dass Homophobie leider immer noch ein Thema ist, wie man bei dem Outing des Fußball-Stars Thomas Hitzlsperger sehen konnte.

Welches ist der jüngste Fall in Ihrem Rundgang?

Der 1973 eingebaute Einwegspiegel auf der Herrentoilette im U-Bahnhof Jungfernstieg. Hinter dem saßen Polizisten, um zu beobachten, was die Männer an der Pinkelrinne machen. Corny Littmann hat den Spiegel 1980 in einer öffentlichen Aktion zerschlagen.

Lida Gustava Heymann gründete Ende des 19. Jahrhunderts in der Paulstraße eine Art Frauenhaus. Für wen war das gedacht?

Lida Gustava Heymann hatte viel geerbt und konnte dadurch so ein Haus finanzieren. Da gab es eine Rechtsberatung für Frauen, die sich scheiden lassen wollten, es gab einen Mittagstisch für erwerbstätige Frauen dort und Fortbildungen. Heymann lebte in einer Lebensgemeinschaft mit Anita Augspurg. Beide gehörten dem radikalen Zweig der bürgerlichen Frauenbewegung an. In der war allerdings die Diskriminierung, die die beiden als liebende Frauen erlebt haben, kein Thema. Da ging es um das Wahlrecht und die soziale Frauenfrage.  INTERVIEW: KLI

Stadtrundgang „Verbotene Wege der Liebe“: 4. Juni, 18.30 Uhr, Kleine Alster / Schleusenbrücke; Karten nur im Vorverkauf; weitere Termine unter www.hamburg.de/politische-bildung