: Ist der Genosse voll wie ein Tanker...
ORTSTERMIN Der Seeheimer Kreis der SPD-Fraktion lädt zur Selbstbeweihräucherung auf den Wannsee
„Erwarte nicht zu viel vom Spargel“, sagten Spargelfahrt-Profis schon auf der Autobahn Richtung Wannsee „Halbroh und kalt. So war es immer.“ Stimmt. Und sonst? Sonst ist die Spargelfahrt des Seeheimer Kreises der SPD-Fraktion eine tolle Gelegenheit, die gefährlich gute Stimmung der SPD am eigenen Leib zu erfahren.
Das Setting: 600 Sozialdemokraten, Journalisten und Lobbyisten. Der Ausflugsdampfer „MS Havelqueen“. Der Berliner Wannsee still im Abendlicht. Eine Front dunkler Wolken, die „aber vorbeiziehen, sagt das Wetterradar“ (sagt der Kapitän).
Die Situation: Drei Stunden mit drei kurzberockten Hostessen einer bekannten Zigarettenmarke, mehreren SPD-Ministern und einem gut gelaunten Sigmar Gabriel, der auf dem Oberdeck die Lage der Partei erklärt.
Die Lage der Partei: Gut. Natürlich. Keine Frage. Sogar der Kanzlerin gibt Gabriel indirekt einen mit, indem er witzelt, der Konservative Jean-Claude Juncker wäre bei der Spargelfahrt sicher gerne dabei gewesen. Schließlich unterstützt ihn die SPD mehr im Kampf um die Kommissionspräsidentschaft als der eigene Laden.
Die Europawahl: Ein echter Erfolg, betonen viele Genossen. Denn: 27,3 Prozent. 27,3! Das ist besser als die 20,8 beim letzten Mal. Aber sind 27 Prozent eigentlich wirklich gut für eine Volkspartei? Ah, Moment, da drüben ist ja die … bin gleich wieder da. Und ab.
Besondere Vorkommnisse: Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat sich das Hemd mit Currysoße bekleckert, meldet die Nachrichtenagentur dpa. Beim Kochen für eine Zeitungsbeilage vor der Fahrt, nicht auf hoher See, wohlgemerkt.
Das Schnitzel: War im Gegensatz zum Spargel wirklich lecker. Dazu drei Frühlingskartöffelchen und jede Menge Weißwein. Der ist – anders als beim Sommertreff der Parlamentarischen Linken – gratis.
Trend des Abends: Gabriel-Selfies. Der Parteivorsitzende muss seine Erklärungen mehrmals unterbrechen, weil ihn Jusos um ein Handyfoto bitten. Gabriel macht mit, jedes Mal.
Partybremse des Abends: Generalsekretärin Yasmin Fahimi verlässt beim Zwischenstopp an der Glienicker Brücke das Schiff. Gabriel nicht. Der Lotse bleibt an Bord.
Das Fazit: „Die SPD wähnt sich auf großer Fahrt.“ (noch mal dpa)
Die Schiffsmetapher: Ist der Genosse voll wie’n Tanker, wirft die Havelqueen gleich Anker.
ULRICH SCHULTE, Berlin