: Prekär bleibt prekär
DAS HALBE WAHLVERSPRECHEN Die sozialdemokratische Arbeitsministerin Andrea Nahles hat ihr Gesetz über einen Mindestlohn von 8,50 Euro eingebracht. Es sieht etliche Ausnahmen vor – so für PraktikantInnen und Langzeitarbeitslose. „Die Wirtschaft“ stöhnt trotzdem auf
Aus für Praktika
■ betr.: „Bornierte Sozialdemokraten“, taz vom 5. 6. 14
Praktika sind Zeiten der praktischen Ausbildung innerhalb einer Berufsausbildung, nicht Probearbeitsverhältnisse, in denen man ausprobieren kann, ob der Job oder der Bewerber passen. Dafür gibt es in allen Arbeitsverhältnissen die Probezeiten, in denen zwar voll bezahlt werden muss, die aber ohne großes Aufhebens beendet werden können. So wie bei der Befristung (auch hier wird gern mit Ausprobieren argumentiert), wird eben auch bei den Praktika an dem eigentlichen Sinn solcher Sonderbedingungen für Arbeitsverhältnisse vorbeiargumentiert. Wer wieder anständige Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt will, braucht Praktika nur, um innerhalb einer Ausbildung den praktischen Aspekt lernen zu können. Er braucht Befristungen, um einen vorübergehenden Bedarf an Arbeitskräften zu decken.
Bei den nicht ausbildungsbegleitenden Praktika steht die Ausbildung meist nicht im Vordergrund, sondern es wird Arbeitsleistung erwartet. Sollen doch diejenigen, die heute über das drohende Aus der Praktika in ihren Branchen jammern, Ausbildungsgänge für diese Berufe anbieten, dann ist der Mindestlohn kein Thema mehr. Dann haben die Menschen eine abgeschlossene Ausbildung und nicht nur eine Ansammlung von Praktika in ihren Lebensläufen stehen. Es war höchste Zeit, das Praktikumsunwesen einzudämmen, auch wenn einige, deren Geschäftsmodell auf solchen billigen Arbeitskräften basiert, dann ihr Geschäft nicht mehr fortführen können. FRIEDRICH-KARL BECKMANN, Pinneberg
Eigennutz
■ betr.: „Bornierte Sozialdemokraten“, taz.de vom 5. 6. 14
Eigentlich sollte man meinen, dass es für Firmen immer noch billig ist, wenn diese voll ausgebildeten Menschen als Praktikanten nur den Mindestlohn zahlen müssen. Als Hintergrundinformation zu diesem Kommentar wäre es doch ganz hilfreich, zu wissen, wie viele Praktikanten bei der taz zu welchen Bedingungen arbeiten. Geht es hier wirklich um die Situation zum Beispiel von arbeitslosen Journalisten, oder geht es um den ökonomischen Eigennutz mancher Medien? VULKANSTURM, taz.de
Kontraproduktiv
■ betr.: „Bornierte Sozialdemokraten“, taz.de vom 5. 6. 14
Mich macht das Verhalten der SPD ratlos. Einerseits bin ich dafür, Wahlversprechen einzuhalten, andererseits ist der Wahnsinn mit der Rente und jetzt die drohende „Abschaffung“ von Praktika nach dem Abschluss von Ausbildungsabschnitten kontraproduktiv. Danke für den pointierten Kommentar. RICHARD LÖWENHERZ, taz.de
Kampf um Jobs
■ betr.: „Generation Kurzzeitpflege“, taz.de vom 5. 6. 14
Praktika dienen in den meisten Fällen gar nicht dazu, dass die Praktikanten etwas lernen, sondern sie dienen zum Aufbau von Kontakten und Arbeitserfahrungen. Angeblich hat in Deutschland ein Altorientalist mit Bachelor eine Berufsausbildung abgeschlossen. Das ist die Theorie.
Die Realität ist, dass es einfach nur sehr wenige gut bezahlte Jobs gibt. Und viele Absolventen kämpfen in sehr langen Praktikumsschleifen um diese Jobs. Sie lernen dabei oft nur das, was in einer Ausbildung zum/zur Bürokaufmann/frau gemacht wird.
Grundsätzlich überträgt Andrea Nahles die ALG-II-Regelung (4 Wochen) nun auf alle Praktikanten (mit Ausnahmen). Das hat einen absurden Effekt: Viele Absolventen werden zu Hause sitzen, müssen das Ramsch-Programm des Jobcenters mitmachen oder sich eben mit einem niedrigen Job zufrieden geben, sprich das Studium hätten sie sich sparen können.
Es müsste – außer für Schüler – eine allgemeine Regelung geben. Warum soll ein Praktikant in seiner Ausbildung arbeiten, dafür aber keinen Lohn erhalten? Warum soll der Staat das fördern? ANDREAS_2000, taz.de
Das ist zu wenig
■ betr.: „Generation Kurzzeitpflege“, taz.de vom 5. 6. 14
Vielleicht sollte man den Mindestlohn einmal anders betrachten. Kann Arbeit denn weniger wert sein, als die Kosten, um die Arbeitskraft zu erhalten? Dazu gehört Essen, Gesundheitsvorsorge, anständige Kleidung und Wohnung, Heizung, Strom. Wenn man die Kosten hierfür einmal zusammennimmt, dann merkt man schnell, dass auch 8,50 Euro nicht reichen, und der Arbeitnehmer hat damit dann auch noch keinen Gewinn erzielt. Würde ein Unternehmen unter den Selbstkosten arbeiten? Oder würde ein Unternehmen viel Sinn machen, wenn am Ende kein Gewinn erzielt wird? Unternehmen würden dann sehr schnell dicht machen, aber Arbeitnehmer sollen sich unter ihren Selbstkosten anbieten?
Der Mindestlohn soll diese Grenze darstellen, er soll dafür sorgen, dass zumindest diese Kosten gedeckt sind. Und diese Grenze gilt eben auch für Praktikanten, für Auszubildende, für Langzeitarbeitslose und auch für Studenten, die sogar meist einen Kredit aufnehmen müssen, um zu überleben. SVEN BUCHIEN, taz.de
Unsinn
■ betr.: „Generation Kurzzeitpflege“, taz.de vom 5. 6. 14
Mindestlohn ist und bleibt Unsinn. Mindesteinkommen ist das, was benötigt wird, damit Menschen sich in Jobs umgucken können, ob diese für sie geeignet sind. Früher wäre das alles kein Problem gewesen. Meistens verdienten die Eltern genug, damit man sich das als junger Mensch erlauben konnte. Heute sind die Eltern, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht haben, arbeitslos und müssen von Hartz IV leben, wenn sie 20 Jahre lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. AGE KRÜGER, taz.de
Wo ist das Problem
betr.: „Generation Kurzzeitpflege“, taz.de vom 5. 6. 14
Wo ist das Problem? Der Arbeitgeber verpflichtet sich doch nicht, einen Praktikanten für sechs Monate beschäftigen zu müssen – und nach einer sechswöchigen „Probezeit“ sollte doch klar sein, ob der Kandidat für das Unternehmen so viel taugt, dass auch ein Mindestlohn gezahlt werden kann. CHRIS HUBRICH, taz.de
Im Keller der SPD
■ betr: „Bornierte Sozialdemokraten“, taz.de vom 5. 6. 14
Die SPD erklärte dem verdutzten Publikum dereinst, die Klassengesellschaft sei überwunden. Dabei übersah sie in ihrer bemerkenswerten Einfalt völlig, dass sich ihr früherer Gründungszweck damit erledigt hatte. Nun gab es aber immer noch zahlreiche Posten und Ämter, die von Genossen besetzt werden wollten. Also arbeitet die SPD seither konsequent am Ausbau der Klassengesellschaft 2.0, die natürlich immer als besonders „sozial“ verkauft werden muss, damit keiner merkt, wie überflüssig und nutzlos diese Partei inzwischen ist. Nur die CDU braucht die SPD noch, weil sie sich dadurch mit der „Unterschicht“ nicht auseinandersetzen muss, die ja sowieso nur Ärger bereitet und dann doch was anderes wählt.
Die Leute mit den Patchwork-Biografien sind nichts anderes als die Leichen im Keller der SPD. Da steigt man nicht gern hinab. Damit steht Frau Nahles nicht allein da. RAINER B., taz.de