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Archiv-Artikel

Ein Sommertagstraum

Uwe Janson entschlackt „Peer Gynt“ fürs Fernsehen (22.40 Uhr, Arte) und Kino (ab morgen) – leider verdeckt er die Kraft des Dramas von Henrik Ibsen durch Großaufnahmen und Musik im Überfluss

Aus der Suche nach Selbsterkenntnis wird bei Uwe Janson ein Drama der Adoleszenz

Von Katrin Bettina Müller

Sommerfarben ist dieser Film durch und durch. Peer Gynt, der Träumer, starrt in die Wolken, Sonnenflecken tanzen über sein Gesicht. Hitze flirrt über der Straße, Himmel spiegelt sich im Asphalt, die nackten Füße von Peer und seiner Mutter Aase laufen durch blaue Luft. Sonne gleißt auf dem Wasser, über das Peer mit einer gestohlenen Braut in einem gestohlenen Boot hinwegrast. Und all die weiteren Frauen, von denen er sich so bereitwillig verführen lässt, begegnen ihm im Wasser, am Strand, auf Schiffen, in Häfen.

So erzählt dieser Film, für den Regisseur Uwe Janson auch das Drehbuch nach dem Theaterstück von Henrik Ibsen geschrieben hat, die Geschichte Peer Gynts wie die eines endlosen Ferienabenteuers. Das liegt sicher auch daran, dass während weniger Sommerwochen in Usedom gedreht wurde. Mehr noch macht die Jugend der Hauptdarsteller aus, Robert Stadlober („Crazy“) als Peer und Karoline Herfurth („Das Parfum“) als Solvejg, die Peer liebt und trotzdem immer wieder verlässt.

Aus der Suche nach Selbsterkenntnis wird ein Drama der Adoleszenz. Vor allem aber entspricht dieser Eindruck anhaltender Jugend dem Konzept von Uwe Janson. „Die Zeit ist nur ein äußerlicher Aspekt und das Lebensalter irrelevant für die Intensität der Gefühle“, sagt er. Und überwindet damit leichtfüßig die Anstrengung, die so manchen Peer-Gynt-Theaterabend auszeichnet, wo sich Peers lebenslange Odyssee oft zu einem Marathon auswächst. „Peer Gynt“ ist nach „Baal“ und „Lulu“ der dritte Theaterfilm, den Uwe Janson für den ZDF-Theaterkanal und Arte gedreht hat – und der erste, der einen Tag nach der Fernsehausstrahlung mit über vierzig Kopien in die Kinos kommt.

Inhaltlich bildet die unbedingte Suche nach sich selbst und dem Leben den Zusammenhang der drei Titelfiguren. Formal hat Janson jedes Mal eine andere Annäherung gewählt.

In „Peer Gynt“ gibt es viele Großaufnahmen. Die Kamera hängt den Schauspielern an den Lippen; gerade auch dort, wo die Sprache in poetischen Bildern weit umherschweift. Auf diese Art versucht der Regisseur dem Text Nachdruck zu verleihen. Er schwärmt von Satzkonstruktionen und Sprachmelodien, denen man sich überlassen muss, noch bevor man weiß, wohin die Reise des Sinns der Worte geht. Die „Fahne der Sprache hochzuhalten“, ist denn auch ein wichtiges Motiv für seine Umsetzung von Literatur in Bilder. Er kann sich aufregen, über den „geringen Wortschatz, mit dem manche Songs, manche Filme und Serien auskommen“.

Überhaupt gerät der Regisseur sehr schnell in ein Plädoyer für die Vielfalt und den Individualismus mit durchaus bildungsbürgerlichen Untertönen. Die Selbstbefragung Peers, der zwischen Hingabe an den Genuss und den Gedanken an andere hin- und herschlingert, gewinnt in Jansons Augen an Dringlichkeit vor dem Hintergrund einer „Gleichmacherei auf der Welt“: „Mittlerweile sehen die Jugendlichen ja überall gleich aus, ob in Australien, bei den Eskimos oder in Mexiko. Das ist ja das Furchtbare. Die Identität wird geraubt durch eine Wahnsinnsflut von Werbung und Videos: So soll man sein, so ist man schick. Das ist Gleichmacherei bis zum Exzess.“

Janson hat das Drama von Ibsen um einige Akte und Orte gekürzt. Das geht gut, insofern sich die Frage nach dem Selbst, die Peer immer wieder umtreibt, ja in vielen Szenen wiederholt. Auf der Strecke bleiben allerdings die verschiedenen Modelle von Welt und Wirklichkeit, die Ibsen auch in diesem metaphorischen Märchen durchgespielt hat. Von ihnen wird man in einem anderen Theaterfilm erfahren, „Zadek inszeniert Peer Gynt“ – schon im Sommer im Kino, 2007 auch im Fernsehen.

Gefragt, was er am Theater auf der Bühne heute am ehesten vermisst und mit seinen Filmen einlösen will, denkt Uwe Janson lange nach. „Das ist die Emotion“, sagt er dann, „einen an den Gefühlen und den Nerven zu packen.“ In seinem „Peer Gynt“ setzt er zum Beispiel auch die Musik von Edvard Grieg zur Verstärkung ein. Er nimmt die Musik, um von ihr die Figur des Peer in ihrer ganzen, enervierenden Launenhaftigkeit noch einmal beschreiben zu lassen und sich an ihrem Pathos zu entzünden. Dass Pathos von den Theatermachern oft vermieden und als falsches Gefühl lächerlich gemacht wird, erscheint ihm als eine Feigheit des Theaters.

Allein die Mittel, mit denen er an der Intensität des Gefühls arbeitet, wie eben Großaufnahmen und Musik, sind dann in Film und Fernsehen doch eher die handelsüblichen Formen. Das Theater kann sich solches gar nicht leisten; es muss die Distanz zum Zuschauer immer auf andere Art überwinden. Um diese spezifisch anderen Zugänge geht es Janson aber nicht.

Einmal erzählt er schon stolz von einer Szene, die sieben Minuten lang ohne Schnitt gedreht wurde. Es geht um den Moment, als Peer seiner sterbenden Mutter den Weg in den Tod durch ein Märchen erleichtert. Das ist eigentlich die schönste Liebesszene des Films, obwohl sie zwischen Sohn und Mutter spielt. Tatsächlich intensiviert der Verzicht auf Schnitte die Nähe zu den Personen. Aber es ist die einzige Szene, in der dies passiert. Ein solches Austreten aus dem fernsehkompatiblen Wechsel der Einstellungen hätte dem Film wahrscheinlich noch öfter gut getan.