Das Glück auf der Kälberlochpiste

SKI ALPIN Mit einem zweiten Platz im Super-G verkürzt Lindsey Vonn den Rückstand auf Maria Riesch – das Duell zwischen der Amerikanerin und der Deutschen um den Gesamt-Weltcup geht jetzt in die entscheidende Phase

„Wenn es hart und eisig ist, sieht es anders aus. Dann ist Lindsey nicht so überlegen“

Der deutsche Cheftrainer Tom Stauffer ist guter Hoffnung

AUS ALTENMARKT-ZAUCHENSEE ELISABETH SCHLAMMERL

Lindsey Vonn zuckte mit den Schultern, das Lächeln in ihrem Gesicht gefror für einen Moment, als sie vom für die Führende eines Weltcuprennens reservierten Platz vor der Sponsorenwand vertrieben wurde von der Schweizerin Lara Gut. Aber das Lächeln kehrte schnell zurück, denn sie wusste, es hätte viel schlimmer kommen können an diesem Sonntag. Die Skirennläuferin aus den USA war beim Super-G auf der Kälberlochpiste von Altenmark-Zauchensee zwar mit zwischenzeitlicher Bestzeit ins Ziel gekommen – aber trotzdem „sehr glücklich, nicht ausgeschieden zu sein“.

Der zweite Platz hinter Gut und vor deren Teamkollegin Dominique Gisin bedeutete für Vonn dennoch ein fast perfektes Wochenende, immerhin hat sie 90 Punkte aufgeholt auf Maria Riesch, der Führenden im Gesamtweltcup, die im Super-G vier Plätze hinter ihr auf Rang sechs landete. Am Samstag hatte Vonn auf der gleichen Piste in der Abfahrt gewonnen und damit ihren vierten Saisonsieg gefeiert. Ihre Rivalin aus Garmisch-Partenkirchen war Vierte geworden – ein Resultat, das bei der 26-Jährigen eigentlich keine große Begeisterung auslöst. Schließlich ist sie seit Februar 2009 die Einzige, die außer Vonn Abfahrten gewonnen hat. Aber im Training war Riesch mit der Strecke überhaupt nicht zurechtgekommen. „Ich hatte kein gutes Gefühl“, gibt sie zu, aber es habe sich mal wieder gezeigt, „dass ich mich im Rennen immer steigern kann“.

Vor dem Super-G 24 Stunden später hatte Maria Riesch nach eigenem Befinden dafür „überhaupt kein Gefühl“. Zwar schaffte sie in jener Disziplin, die ihr in den letzten beiden Jahren so viel Probleme bereitet hatte, einen glänzenden Saisonstart mit Rang zwei in Lake Louise, aber der sechste Platz gestern war nur mehr „Schadensbegrenzung“.

Die Rechnung ist ohnehin eine andere. Maria Riesch hat in Zauchensee nicht so viele Punkte auf Vonn eingebüßt, wie die Amerikanerin regelmäßig an Wochenenden mit Rennen in technischen Disziplinen auf die Deutsche verliert. Zuletzt ist Vonn in drei Slaloms hintereinander ausgeschieden, in Courchevel vor Weihnachten hatte sie noch das Glück, dass auch Maria Riesch nicht ins Ziel kam. Am Semmering und in Zagreb aber sammelte die Doppel-Olympiasiegerin jeweils 80 Punkte. Vonn geriet ins Grübeln, weil sie ihrem Ziel, in Slalom und Riesenslalom auf Riesch aufzuschließen, keinen Schritt näherkommt. Dabei hatte sie ihr Training vor der Saison genau daraufhin abgestimmt und an ihrer Schnellkraft gearbeitet.

Riesch dominiert anders als in der vergangenen Saison, als sie Beste im Slalom-Weltcup war, in diesem Winter in keiner Disziplin, aber landete in allen vier mindestens jeweils einmal auf dem Podest. Davon ist Vonn weit entfernt. „Natürlich fängt man da an nachzudenken“, gibt der amerikanische Cheftrainer Alex Hödlmoser zu.

Vonn ist ganz froh, dass im Januar viele Speedrennen auf dem Programm stehen, die Technikserie am kommenden Wochenende in Maribor zu Ende geht. In Abfahrt und Super-G hat sie die Sicherheit, auch mit einem Fehler auf dem Podest zu landen. Allerdings ist für den deutschen Cheftrainer Tom Stauffer die Zeit vorbei, als die Amerikanerin in einer eigenen Liga fuhr. Die Verhältnisse in Zauchensee mit einer weichen Piste seien Vonn entgegengekommen, behauptet er. „Wenn es hart und eisig ist, sieht es anders aus. Dann ist Lindsey nicht so überlegen.“

So wie in Lake Louise zu Beginn der Saison. Da hatte Maria Riesch zwei Abfahrten gewonnen – und damit die Konkurrentin ziemlich beeindruckt. „Lindsey hat schon vorher in Interviews gesagt, dass ich ihr sehr nahe komme“, sagte Riesch. Vielleicht als Folge des Drucks hatte sich Vonn nach den ersten Trainingsfahrten in Kanada über den Zustand der Piste massiv beschwert, so massiv, dass sogar die eigenen Teamkolleginnen den Kopf schüttelten. Vonn sorgt gerne für Ablenkung, um dann, wenn kaum jemand damit rechnet, zuzuschlagen. Wenigstens in Abfahrt und Super-G kann sie sich darauf verlassen, dass dieser Mechanismus funktioniert.