„Das Hotel sollte sich bekennen“

RESTITUTION Im Restaurant des Hamburger Luxushotels „Vier Jahreszeiten“ hängt ein Gobelin aus der jüdischen Sammlung Budge, die die Nazis zwangsversteigerten. An Rückgabe denkt das Hotel bislang nicht

Restitution durch das Luxushotel ist weniger eine juristische, als eine moralische Verpflichtung

So richtig schuld ist keiner. Jedenfalls keiner der heute Lebenden. 74 Jahre ist es her, dass die Nazis der Hamburger jüdischen Sammlerin Emma Budge einen wertvollen Gobelin des 18. Jahrhunderts entrissen und ihn, zusammen mit 1.500 weiteren Kunstwerken, in Berlin zwangsversteigerten. Der Teppich brachte 14.100 Reichsmark ein, beteiligt wurde keiner der Erben.

Nutznießer des staatlichen Kunstraubs war Fritz Haerlin, Ex-Direktor des Hamburger Hotels „Vier Jahreszeiten“. In dessen Restaurant hängt der Gobelin mit seinen bukolischen Szenen noch heute.

Nicht alle freut das. Zum Beispiel nicht die Budge-Erbengemeinschaft, vertreten durch den Berliner Anwalt Lothar Fremy. Er verhandelt seit 2007 mit über 30 Museen weltweit und hat bereits 25 Werke zurück erhalten. Bremer, Schweriner und Frankfurter Häuser restituierten.

Im Oktober 2009 schrieb Fremy auch an das Hamburger Luxushotel. Man werde sich melden, hieß es daraufhin. Nichts geschah. „Dabei können wir gar nicht auf Herausgabe klagen“, sagt Fremy. „Dafür bewegen wir uns auf viel zu dünnem Eis.“ Denn erstens sei der Tatbestand verjährt. Zweitens beziehe sich das Washingtoner Abkommen, das die Restitution jüdischen Besitzes regelt, auf öffentliche, nicht aber private Sammler wie das Hotel. Restitution sei also eher moralische Pflicht.

Zudem könne man nicht nachweisen, dass Fritz Haerlin um die Zwangsversteigerung wusste. Haerlin war zwar SS-Hauptsturmführer, wie die Homepage des Hotels bekundet. Und er müsste eigentlich, meint Fremy, von den Umständen der Nazi-Auktion gewusst haben. „Aber sicher ist das nicht.“

Unwahrscheinlich sei auch, dass die Luxushotelgruppe Fairmont, die das Hotel 2007 übernahm, die Provenienz des Gobelins gekannt habe. „Da müssten wir schon von Bösgläubigkeit ausgehen“, sagte Fremy der taz.

Das will auch Heinz Rauber, Sprecher der Budge-Stiftung, nicht. „Wir wollen keine Schuldzuweisungen“, sagt er. „Aber das Hotel sollte sich, bis die Rechtslage klar ist, zur Herkunft des Gobelins bekennen. Etwa durch eine Tafel, die zeigt, dass der Teppich aus der zwangsversteigerten Budge-Sammlung stammt.“

Das Hotel selbst äußerte sich gestern auf Anfrage nicht. Am Freitag allerdings werden sich Fremy und der Anwalt des „Vier Jahreszeiten“ in Berlin zusammensetzen. Das Treffen war auf einen Bericht des NDR hin zustande gekommen. PS