: Bolzplätze dürfen niemals eckig sein
BASISFUSSBALL Wie werden Vereinsnamen von Hobbykickern erfunden – und warum sind sie oft so pompös?
■ heißt vollständig José Roberto Torero Fernandes Júnior – und wird Torero genannt. 1963 in Santos im Bundesstaat São Paulo geboren, Schriftsteller, Drehbuchautor, Filmemacher und Journalist.
■ Bis 2012 schrieb er regelmäßig Fußballkolumnen für die Folha de São Paulo. In deutscher Übersetzung erschienen ist sein Roman „Das Land der Papageien“.
VON JOSÉ ROBERTO TORERO
Seele des brasilianischen Fußballs ist der – Bolzplatz. Dank dieser kleinen Sportplätze überall im Land haben wir so viele und so gute Fußballer. Hier machen die Sportler ihre ersten Schritte, lernen dribbeln, in Freiheit und ohne Bandagen.
Aber glauben Sie nicht, dass Hobbyfußball informell sei. Das Informelle gehorcht vielen Regeln. Zum Beispiel darf der Platz niemals ein richtiger Rasen sein. Niemals!
Nur an den Rändern darf Gras wachsen. Vergleichbar den Glatzen der Spanier, die nur an den Rändern noch ein paar Stoppeln haben. Und er darf nie ein perfektes Rechteck sein. Ein Parallelogramm, ein Trapez, sogar ein Quadrat, aber niemals ein richtiges Rechteck. Eine Seite muss unbedingt länger sein als die andere. Und sollte das Gelände tatsächlich ein Rechteck von exakt 120 mal 90 Metern darstellen, muss wenigstens irgendwo in der Mitte ein Baum stehen.
Auch das Vereinsheim der Freizeitmannschaft muss Normen entsprechen. Ideal ist ein Häuschen am Ende des Platzes. Ein Zimmer könnte zur Umkleidekabine werden, im Wohnzimmer könnte ein Billardtisch stehen, der zur Finanzierung des Klubs beiträgt.
Die Küche wird zu einem sehr wichtigen Ort – nämlich zur Bar. Hier muss ein Kühlschrank stehen, randvoll mit kaltem Bier und fantastischen Köstlichkeiten wie gebratenen Würstchen in Alkohol, Chips in Essigsoße und Stockfischbällchen ohne Stockfisch.
Im zweiten Raum wäre das Sekretariat, in dem auch die Trikots aufbewahrt werden, die Bälle, die Dokumente, Trophäen. Hier steht ein Tisch voller Papiere und der Stuhl des Präsidenten, denn jede Bolzplatzmannschaft braucht einen Präsidenten.
Was Letzteren angeht, gibt es übrigens keine Regeln. Es kann einer der Gründer des Teams sein, ein Priester, der schon immer mal Manager sein wollte, ein schlechter Spieler, der seine Treter gegen Straßenschuhe eingetauscht hat, um dem Ball nicht ganz zu entsagen, sogar die Mutter eines Sportlers, die den Klub verwaltet, um dem Sohn einen Gefallen zu tun.
Unweigerlich hört der Sohn irgendwann auf, sie aber hat Spaß an der Sache bekommen und verfolgt weiter ihre Vorstandskarriere.
Bei der Wahl des Namens gibt es zwei gegenläufige Möglichkeiten: pompös oder despektierlich. Die übliche pompöse Variante besteht darin, dem Namen des Stadtteils eine beliebige sportliche Bezeichnung voranzustellen, wie etwa „Sport- und Freizeitgesellschaft Vila Nhocuné“ oder „Regatta- und Sportvereinigung Ende der Welt“. Eine weitere Spielart des Pompösen kombiniert einen bereits existierenden Klubnamen mit dem des jeweiligen Stadtviertels: Olympique Saboó, Benfica Capão Redondo, Flamengo Jacarezinho oder Bayern Mairinque. Die despektierlichen Vereinsnamen dagegen sprühen vor Ironie. Es gibt „Gott sei Dank Arbeitslos“, „Schnaufometer“, „Fußball- und Feiervereinigung“, „Laue Brise“, „Schlaffe Pille“, „Hurensöhne“ oder wortspielerisch: „Hanflanger des Herrn“.
Meisterschaften können in einem einzigen Spiel ausgetragen werden oder ins Gigantische ausufern. Die berühmtesten sind die „Copa Kaiser“ (was weder mit Karl dem Großen oder Wilhelm I. noch mit Franz Beckenbauer zu tun hat, sondern nur der Name einer Biermarke ist) in São Paulo sowie das „Peladão“ in Manaus, was vom portugiesischen „pelado“ („nackt“) abgeleitet als große FKK-Veranstaltung missverstanden werden könnte, allerdings nur von „Pelada“ herrührt, der Bezeichnung für das Gekicke auf dem Bolzplatz (vom lateinischen „pila“ = „Ball“).
Beide Meisterschaftsvarianten streiten um den Titel des größten Hobbyfußballturniers der Welt – mit Teilnehmerzahlen von bisweilen mehr als eintausend Mannschaften. Die Sportler einer Hobbymannschaft können von überall her stammen, sie sind Nachbarn, Arbeitskollegen, Rentner mit zu viel Zeit, Jugendliche, die davon träumen, Profifußballer zu werden … Ich selbst versuchte mit fünfzehn, einer solchen Mannschaft anzugehören. Ihr Name zählte zur Kategorie der Pompösen: Universo Futebol Clube.
Mein Plan war, dort zu glänzen und dann von Santos entdeckt zu werden als Nachfolger von Pelé. Doch ich bestand den Test nicht und spielte so schlecht, dass der Trainer mir sagte, ich brauche in der Woche darauf nicht mehr zu kommen. Und nachdem „Universo“, das Universum, mich abgelehnt hatte, was blieb mir da übrig? Der Sportjournalismus.
■ Übersetzung aus dem Portugiesischen: Michael Kegler